Hot, wet, cold, hot again – What don't kill ya make ya more strong!
Die Liebe auf den ersten Blick...es gibt sie tatsächlich. In meinem Fall gibt es sie sogar gleich zweimal. Zum ersten Mal 2005...im Angesicht der Skyline von Los Angeles. Lange dachte ich, dass nichts dieser unbändigen Schönheit das Wasser reichen könnte und auch wenn die Schmetterlinge noch immer beim Betrachten von L.A.-Bildern in meinem Bauch zu fliegen beginnen, passierte 2007 doch etwas, was ich nicht für möglich gehalten hätte. Dabei war das Objekt der Begierde diesmal so unscheinbar, ganz ohne den Hollywood-Bombast vom ersten Mal...umgeben von schnörkellosen Backsteinhäusern, kleinen Provinz-Sträßchen und hoch in den Himmel ragenden Pappeln: Werchter...das Dorf mit dem großartigsten Festival aller Zeiten: Rock Werchter!
Heute war es endlich wieder soweit. Der 5. Juli 2009, der Hannibal'sche (von den Eltern gesponsorte) Rock-Van wird fachgerecht beladen und um ziemlich genau 9.30h geht's los ins 220km entfernte Werchter. Der Himmel ist leicht bewölkt, die Sonne strahlt und der eigens angefertigte Werchter-Mix dröhnt aus den Lautsprechern: “Werchter! Metallica is with you! Are you with Metallica?”....”Yeeeeeeeah” gröhlt die belgische Crowd mit ohrenbetäubender Lautstärke zurück und ich gebe ihr wonach sie verlangt mit jahrelang einstudiertem Hetfield-Gesang beim folgenden “For whom the bell tolls” inklusive aller “Uahs”, “ßaaahs”, “ßschhhssss” und “Huarghs”!Oh ich hab solche Sehnsucht,
ich verliere den Verstand,
ich will wieder nach Belgien,
ich will zurück nach Werchterland.
Zum sechsten Mal beackern die4 Horsemen das “Rock Werchter” am heutigen Abend und gleichzeitig wird es auch mein sechstes “Metallica”-Konzert sein.....wenn das kein Zufall ist, diese Shows muss einfach besonders werden!
Wenige Minuten später steigen 3 Uni-Kollegen zu und aus Hannifield wird der normale Hannibal, der auch ohne Zisch- und Grummel-Laute kommunizieren kann. Ein hin und wieder eingeworfenes “Allriiiiiight” kann ich mir dennoch nicht verkneifen...
Nach 50 Kilometern ändert sich die Landschaft, die Autobahnen und das Tempolimit. Ab jetzt nur noch 120 km/h...bei der ersten Raststätte wollen meine Mitfahrer inspiriert durch meine voll ausgestatte Kühlbox sich noch einen 4-Pack Red Bull zulegen und erblicken im Tankstellen-Shopregal “Red Bull Cola”, in dem wohl kleine Mengen Kokain enthalten sein sollen. Begeistert greifen sie zu und entdecken noch skurilere Energy-Drinks, welche aus grünen Kaffeebohnen hergestellt werden. Mit einem Koffein-Sortiment, auf das wohl jeder Herzspezialisten mit versteinerter Miene reagieren würde, bewegen wir uns zurück ins Auto und lassen uns vom Navi weiterleiten.....ja (richtig gelesen, Vince ;-))......Navi...da ich heute mit 3 Anti-Navigatoren in einem fremden Land unterwegs bin, habe ich mich zu dem weitreichenden Schritt entschlossen, mich von einer fremden Frauenstimme ins gelobte Land führen zu lassen.
Das klappt auch alles ganz hervorragend und nach etwa 2,5 Stunden sind wir mitten in der belgischen Provinz und suchen nun nur noch einen Parkplatz. Stau scheint ein Fremdwort zu sein und schon nach wenigen Minuten werden wir fündig und werden von belgischen Securities eingewiesen. 15 Euro Parkgebühr ist nicht ganz unheftig, aber jetzt umdrehen ist auch doof. Augen zu und durch also.....soweit, dass sich plötzlich eine Security-Frau entschlossen in den Weg stellt, verärgert mit den Armen rumfuchtelt und irgendetwas auf Flämisch ruft. Ich verstehe natürlich kein Wort und vermute, dass sie mich auf einen Parkplatz einweisen will. Mit jeder Lenkbewegung wird sie hektischer und wir fragen uns, was zur Hölle die gute Frau vor hat. Plötzlich klopft es an die Scheibe, eine andere Security-Frau...wieder Flämisch...”English?” frage ich hilflos....”Oh, ähm...15 Euros parking fee.”.....Ahhh, warum nicht gleich so, wir hatten ganz vergessen zu bezahlen und waren etwas zu optimistisch auf den Parkplatz gerollt.
Naja, ist ja nochmal gut gegangen. Wir packen alles, was wir brauchen zusammen und machen uns anschließend auf den Weg zum Festivalgelände. Die Sonne strahlt und mit jedem weiteren Meter beginnen wir breiter zu grinsen. Im Gegensatz zu Matsch-Veranstaltungen wie “Rock am Ring” besuchen in Belgien offensichtlich auch hübsche Frauen Festivals...die Temperaturen tun ihr übriges. Unsere kleine Wanderung führt uns durch den hübschen Ortskern von Werchter, der – dafür, dass hier gerade Belgiens größtes Rockfestival stattfindet – eigentlich vollkommen sauber daherkommt. Die Festivalbesucher sitzen gemütlich in Straßencafes während eine langsam zunehmende Menschenmenge in Richtung des Festivalgeländes strebt. Nach ungefähr 25 Minuten befinden wir uns schließlich auf der Hauptzugangsstraße mitten in einem riesigen Menschenmeer...kurz darauf ist schon der Haupteingang erreicht.
Dort werden unsere ausgedruckten E-Tickets (ja, das klassische Konzert-Ticket stirbt langsam aus) eingescannt und weiter geht's mit den altbekannten Festivalarmbändern. Mein Arm ist mittlerweile schon ziemlich voll von dem Zeug. Schon hier fällt die nette Security auf, die mir das Bändchen anlegt und nach einem Blick auf mein T-Shirt “Yeah, Metallica!” raunt und mich mit einer Pommesgabel zum Kollegen weiterleitet, der das Bändchen schließlich festzurrt.
Wenige Sekunden später stehen wir auf der Wiese. Ein paar hundert Meter vor uns die Main Stage, links und rechts davon unzählige Essens- und Getränkebuden und dazwischen ein luftiges Meer aus leicht bekleideten relaxten Rockern und – was viel wichtiger ist – Rockerinnen. Anyway, FrancesTM ist ungeduldig auf seine Uhr am zeigen, da “Mastodon” in wenigen Minuten die Werchter-Bretter im Rahmen ihrer “Crack the Skye”-Tour betreten werden. Also schnell nach vorne, davor noch schnell ein paar Getränke-Bons besorgt (unkompliziert und ohne Wartezeiten) und dann mit einer eiskalten 0,2l-Cola (umgerechnet 2,50 Euro) ab in den Pit. Im Gegensatz zu 2007 hat man 2 geschlossene Wellenbrecher-Systeme angeschafft, die den Bereich direkt vor der Main Stage in insgesamt 4 Blöcke mit einer Tiefe von ungefähr 10 Metern unterteilen. Das verhindert zwar den visuell beeindruckenden Circle-Pit-Wahnsinn von “Rock am Ring”, sorgt aber für ein wesentlich größeres Sicherheitsgefühl in den ersten Reihen, auf die sonst im Extremfall bis zu 80.000 Zuschauer drückten.
”Crack the Boredom”: Mastodon onstage...
Wir bleiben erstmal im 2. Wellenbrecher und die brachialen US-Prog-Metaller “Mastodon” entern schließlich die Bühne und eröffnen ihr fast 1-stündiges Set mit dem gewaltig nach vorn gehenden “Oblivion” von der aktuellen – übrigens sensationell guten - Scheibe. Doch schon in den ersten Minuten wird klar, dass diese Band wie schon 2007 das Live-Potenzial ihrer Songs nicht mal ansatzweise ausreizen kann. Denn zwischen den anspruchsvollen Frickel-Passagen, bauen “Mastodon” auch auf eingängige Breaks und Bass-Drum-dominierte Ruhephasen, die regelrecht zur Publikumsanimation einladen. Von Seiten der Band passiert aber leider gar nichts....fast 60 Minuten vergehen ohne eine einzige Ansage, keine Begrüßung, kein Abschied....eine vollkommen unpersönliche, hochstatische, demotivierte und arrogante Show, die jegliches Kickass-Potenzial der “Crack the Skye” wirkungslos verpuffen lässt. Da hilft leider auch der technisch einwandfrei vorgetragene Longtrack “The Czar” nix. Denn hier hat das Quartett es mit einer Festival-Crowd zu tun, die sich im Gegensatz zum intimen Club-Publikum nicht zwingend in der Diskographie der Band auskennt....aber diese Chance könnte man ja auch nutzen, um neue Fans zu gewinnen. Die US-Banger aus Atlanta scheinen das aber nicht nötig zu haben und stinken auf ganzer Linie ab. “Mastodon” waren, sind und bleiben live eine dicke Enttäuschung! Schwach!
Nun wird aber erstmal das Festivalgelände erkundet. Die ausgedehnte Festival-Wiese, die von ein paar großen Pappeln begrenzt wird, ist weitgehenst sagenhaft sauber. Die rundherum aufgebauten Stände, die zahlreiche Essens- und Trinkmöglichkeiten, aber auch Merchandise (T-Shirts zwischen 25 und 30 Euro), Discos (!) und riesengroße Werbe-Maßnahmen beherbergen laden zum gemütlichen Shoppen und Staunen ein. So hat bspw. Coca-Cola eine riesige Anlage am laufen, in der sich der müdegerockte Festivalbesucher gratis von leicht bekleideten Damen mit Sonnencreme einreiben lassen kann. Darüberhinaus greifen selbige in Arbeitspausen zum Wasserschlauch und spritzen große Fontänen des kalten Nass in die schwitzende Menge. Die weitgehenst Oberkörper-freie Menge bedankt sich gröhlend. Auch wenn das perfekt ins Klischee passt, gibt sich das gesamte Festival erfrischend anders.
Die Zelt-Bühne von außen...Innenfotos kann ich aufgrund penetranter Hiphop-Beschallung leider nicht liefern...;-)
Auf der Zelt-Bühne spielt gerade ein belgischer Hiphop-Act, zu dem tausende Partybegeisterte im Zelt und rund herum ihre Hände in die Höhe recken. Etwas weiter hinten wird ausgelassen getanzt oder mit gemütlichem Kopfnicken eine Schachtel Pommes verzehrt. Wieder ein paar Meter weiter zappeln sich begeisterte Raver in einer der 2 auf dem Gelände befindlichen Techno-Schuppen einen ab. Musikbegeisterte aller Gattungen sind hier vertreten und coexistieren absolut friedlich nebeneinander.
Kerniger Blues auf der Mainstage: Seasick Steve...
Uns zieht es nach der aufreizenden Erfrischung am Coca-Cola-Stand wieder in Richtung Hauptbühne, wo der Indie-Blues-Gigant “Seasick Steve” nur mit einer Gitarre und einem Minimalschlagzeug bewaffnet eine Riesenmenge in beste Festivalstimmung versetzt. Zunächst schauen wir uns das Geschehen nur aus der Ferne an und nehmen einen ersten Snack zu uns. Wenig später suchen wir uns dann aber eine bessere Position, denn der Kerl hat geschätzte 30.000-40.000 Belgier perfekt im Griff. Der minimalistisch vorgetragene Blues verbreitet nichts als gute Stimmung und wird von “Seasick Steve” teilweise zu einem ausgedehnten Improvisations-geschwängerten 10-Minüter ausgebaut inklusive diversen Publikumsanimationen. Sehr coole Performance und ich kann meinem Kumpel nur rechtgeben, der schließlich meint: “Sowas gäbe es beim Ring niemals auf der Center Stage!”....Recht hat er und es unterstreicht nur wieder, was für ein Drecksfestival der deutsche Marktführer letztendlich ist.
Prototyp-Studenten mit Gitarren? Das können nur “The Mars Volta” sein...
Dann steht Großes an, weswegen FrancesTM schon ganz unruhig hin und herstapft: die berühmt-berüchtigten “The Mars Volta” sind kurz davor die Bühne zu entern. Wir folgen ihm daher schleunigst in den 1. Wellenbrecher, nichtsdestotrotz ist er noch keine 2 Minuten später irgendwo in der Menge untergetaucht. Ob es ein Zeichen ist, dass die Chaostruppe auch mit einem Ennio Morricone-Intro eröffnet? Sobald das Sextett die Bretter betritt, sind jedenfalls alle meine vorherigen Zweifel verflogen, denn die Mannschaft um Sänger Cedric Bixler-Zavala legt eine überraschend gutgelaunte und geerdete Indie-Prog-Rock-Performance auf's Parkett und kann instrumental, als auch gesanglich durchaus überzeugen. Die teilweise chaotischen Vocals auf den Studio-Versionen ihren Lieder, kommen live wesentlich gemäßigter und erträglicher rüber. Weiter oben scheint man dennoch nicht zufrieden mit der vorgelegten Live-Gewalt zu sein und schickt einen immer stärker werdenden Regen über die kochende Menge hinweg. Was zunächst noch eine nette Erfrischung vom 35°C-Wettbrutzeln ist, beginnt nach spätestens 10 Minuten dann doch tierisch zu nerven. Es schüttet wie aus Eimern und auch die spärrlichen Ansagen von Bixler-Zavala (immerhin gibt's hier mal Ansagen!) können das ins bodenlose fallende Stimmungs-Barometer nicht aufhalten. Nach 20 Minuten Starkregen ist die ganze Menge pitschnass, nur eine Gruppe betrunkene Engländer lässt sich dank ausgeflipptem Luftgitarren-Schreddern nicht die Stimmung vermiesen.
Geben auch bei Dauerregen alles: Rocker von der Insel...
Gegen Ende der “The Mars Volta”-Performance wird es wieder trocken und wir entledigen uns erstmal unserer triefenden T-Shirts. Prompt kommt eine Gruppe braungebrannter Belgier vorbei und lacht uns wegen unserem verbesserungswürdigen Bräunungs-Grad aus: “Go to Spain!”
Auch wenn der Auftritt wortwörtlich ins Wasser gefallen ist, konnte sich die Live-Performance durchaus sehen lassen, auch wenn meine musikalische Baustelle definitiv in anderen Gefilden liegt...
Mit einem pitschnassen T-Shirt um den Hals gewickelt, könnte es im Laufe des Abends noch kühl werden, weswegen wir uns zielstrebig zum Merchandise-Stand aufmachen. 30 Euro für ein Metallica-Shirt....25 für's Werchter-Shirt...ihr könnt sicher schon ahnen, wofür ich mich entscheide...ist ja nicht so als hätte ich schon 6 dieser Teile im Schrank. Mit trockenem Stoff auf der Haut ist es gleich viel weniger kühl. Während die “Black Eyed Peas” vor einer gut gelaunten Menge anfangen, schnappen wir uns erstmal ne Portion Pommes, die unter langsam wieder heller werdendem Himmel verdrückt wird. Aus sicherer Entfernung macht die Hip-Hop-Pop-Show von Fergie & Co einen sehr anständigen Eindruck. Gerade bei den großen Hits “Shut up” und “Where is the love” sind zehntausend Menschen in Bewegung und ausgelassen am Mitsingen, was der Band sichtbar Spaß bereitet, die Genre-bedingt nicht allzu oft auf Rock-Festivals zu Gast ist. Wieder ein Pluspunkt für's “Rock Werchter”, denn die abenteuerliche Lineup-Mischung funktioniert hervorragend und wird vom Publikum äußerst positiv aufgenommen. Hier wippen auch die “Metallica”-Fans in der ersten Reihe zu Blues, Prog und Hip-Hop mit, während ein Ring-Publikum derartige Genre-Schlenker nur mit Pfeifen und ausgestreckten Mittelfingern beantworten würde. Aber nicht überall benehmen sich die Rocker so assozial wie in Deutschland...hier herrscht den ganzen Tag schon Friede, Freude, Eierkuchen.
Die Festivalwiese von hinten...
Pünktlich zu den “Kaiserchiefs” bewegen wir uns wieder langsam aber sicher nach vorne. Die letzte Mahlzeit ist verputzt, die letzte Cola getrunken...jetzt heißt es mit Flüssigkeitsreserven, die sorgfältig an der Gürteltasche montiert wurden, den Rest des Abends aushalten...denn den Headliner will ich von ganz vorne sehen. Als ich sehe, dass beide Wellenbrecher bereits wegen Überfüllung geschlossen sind, werde ich unruhig. Wir stehen knapp 20 Meter von der gewaltigen Bühnenkonstruktion entfernt, auf der gerade die englische Rockband das belgische Publikum zu neuen Höhenflügen antreibt. Der Live-Faktor des Quintetts ist durchaus in hohen Wertungsregionen einzuordnen, aber die Musik, von der ich zur Verwunderung meiner Mitfahrer kein einziges Lied kenne, erreicht mich mal sowas von überhaupt nicht, dass ich diese langweilige 3-Akkord-Mainstream-Suppe auch in diesem Bericht großzügig überspringe ;-)
Als die Chiefs nach ellenlangen Publikumsanimationen am Ende ihres Sets angekommen sind, positionieren wir uns wie ein paar hundert andere am Wellenbrecher-Eingang mit der Hoffnung, dass da vielleicht doch noch etwas geht. Die Securities lächeln in die Menge, fordern zu ein wenig Geduld auf und machen das Ding schließlich auf, während auf der anderen Seite eine riesige Menschenmasse das Wellenbrecher-System verlässt. Nach ein bisschen Gedrängel sind wir schließlich im zweiten drin, als wir entdecken, dass auch noch die Tore zum ersten geöffnet wurden. Also schnell auch da noch durchgeschlüpft. Nun stehen wir unmittelbar vor dem Seitensteg des Bühnenmonsters...mit der Position bin ich mehr als zufrieden und wir setzen uns erstmal in aller Ruhe auf den mittlerweile wieder von der Sonne aufgeheizten Boden. Als nächstes werden die legendären “Nine Inch Nails” die Festivalbühne entern, die mich aufgrund ihres Elektronik-Faktors auch noch nie so wirklich tangiert haben. Das soll sich heute ändern...
Sonnenuntergangsstimmung...
Kurz vor dem Intro tippt FrancesTM mich an und zeigt hinter uns, wo gerade der “Mastodon”-Gitarrist Bill Kelliher mit einer von oben bis unten zutätowierten Freundin in den ersten Wellenbrecher geleitet wird. Die beiden stellen sich direkt vor uns und wir trauen uns natürlich nicht den Mann anzusprechen, der vor knapp 7 Stunden die Menge, in der er jetzt steht, noch furchtbar gelangweilt hat.
Akute Kopf-an-Lichtorgel-Stoß-Gefahr: “Nine Inch Nails”...
Dann geht's endlich mit dem Co-Headliner los und von Minute 1 an macht Frontmann und Band-Diktator Trent Reznor keine Gefangenen. Mit ungeheurer Wucht und einer im langsam einsetzenden Sonnenuntergang immer spektakulärer werdenden Light-Show fegt das Quartett über die 80.000 Belgier hinweg, die sich mittlerweile vor der Main Stage versammelt haben. Der Wasserfälle-schwitzende Reznor ist sich weder für Publikumsansagen noch für Mitmach-Animationen desselbigen zu schade und hat die Menge von der ersten Minute an unter Kontrolle...außer zwei Zuschauer, die genau vor uns stehen. Bill Kelliher wirkt auch im Zuschauerraum genauso arrogant wie auf den Brettern. Nicht einmal applaudiert das Pärchen, die meiste Zeit wird sich desinteressiert unterhalten...da hätte der Gute genauso im Backstage-Bereich bleiben können und richtigen NIN-Fans seinen First-Class-Platz überlassen.
Hängt sich gewaltig rein: Trent Reznor...
Die gewaltige Wirkung der “Nine Inch Nails”-Show wird dadurch dennoch nicht beeinträchtigt. Tausende Hände sind in der Luft, während die Energie-geladene Performance sich langsam dem Ende nähert. Reznor kündigt schließlich an, dass dies die letzte NIN-Tour für eine verdammt lange Zeit ist und bedankt sich bei Fans und Nicht-Fans, die alle gleichermaßen begeistert sind. Im Finale gibt's dann das obligatorische “Hurt”, welches in einer sagenhaften Gänsehaut-Performance mit schaurig-schöner Licht-Show ein würdiges Grand-Finale darstellt und vom Publikum mit allerlei Textkenntis und nicht immer passenden Klatsch-Aktionen begleitet wird. Ob das Reznor's Intention entspricht, wage ich mal zu bezweifeln, aber das beeindruckende Muskelpaket haucht unbeiirt weiter die messerscharfen Verse ins Mikro und bedankt sich schließlich noch einmal ausführlich bei der ihm wohlgesonnenen Menge. Ich bin mittelschwer begeistert und habe meinen Beweis, dass auch künstlerisch anspruchsvolle und introvertierte Musik publikums-nah präsentiert werden kann. Die “Nine Inch Nails” haben jedenfalls genau das geschafft, was ich in meinen “Tool” & Co-Live-Erfahrungen immer kritisiert habe: alte Fans verzaubern und gleichzeitig neue, teilweise völlig Genre-fremde gewinnen! Hut ab!
Warten...
Es folgt eine halbe Ewigkeit des Wartens. Die Pyroeffekte werden bereit gemacht, die Bühne wird nochmal ordentlich durchgekehrt, die Playlists werden aufgeklebt...dann der Soundcheck...wir haben uns noch ein Stück weiter vorgekämpft und stehen nun in der 2. Reihe am rechten Bühnenflügel. 2 Meter vor uns steht das Mikro, in das in wenigen Minuten Gott persönlich hineinbellen wird. Die Vorfreude steigt und mit 15 Minuten Verspätung wird die Bühne schließlich gegen 23.30h dunkel...
Endlich geht es los! Das “Ecstacy of Gold”-Intro kommt alle Jahre wieder wunderbar, zumal die Werchter-Crowd bereitwillig mitsingt. Dann steigt die Spannung, womit werden die Jungs diesmal eröffnen. Das “Blackened”-Intro ertönt, doch gleichzeitig hechtet Hetfield auf die Bühne und startet direkt in den Song mit einer extrem leisen Gitarre...das Intro läuft weiter...als die Band schließlich komplett loslegt, bemerkt man den Fehler und das Intro wird ausgemacht, sowie die Lautstärke der Band auf das gewohnte Level hochgefahren. Laut Metontour hatte James vergessen, dass da ein Intro vor “Blackened” war und war zur Überraschung seiner Bandkollegen gleich voller Enthusiasmus auf die Bühne gestürmt. Auf dem Metontour-Video zur nachfolgenden Show in “Nimes”, die übrigens für eine Live-DVD aufgezeichnet wurde, wird Hetfield im Tuning Room deswegen mehrfach auf die Schippe genommen und von Lars nochmal an das “Blackened”-Intro für die bevorstehende Show erinnert. “Intros...that's so 80s...” meint der Frontmann nur grinsend.
Der Song zeigt sich mal wieder als der beste Opener aller Zeiten. Perfektes Vollgas-Riffing und dann in der Bridge der klassische Mitmach-Teil. “Werchter, are you out there, Baby?” kann sich James sparen, der Jubel bricht augenblicklich los und die “Hoi Hoi Hoi”-Chöre setzen schon ein bevor Hetfield die Forderung überhaupt aussprechen kann. Auf Einzel-Konzerten ist die beste Stimmung? Nix da, die belgische Festivalmeute ist mit Abstand die lauteste und versierteste “Metallica”-Crowd, die ich je erlebt hab...nach 6 ”Metallica”-Auftritten hier seit 1993 auch kein Wunder. Ich bin beruhigt, dass es offensichtlich noch mehr Freaks zu geben scheint, die die Konzerte der Four Horsemen auswendig lernen ;-)
Den ohrenbetäubenden, textsicheren Enthusiasmus der Werchter-Crowd honoriert James auch direkt im Anschluss mit einem “Werchter, you're beautiful!” und dann geht's auch schon zügig in den “Metallica”-Groover Nr.1: “For whom the bell tolls”. Direkt brechen die taktsicheren Belgier wieder ins “Hoi Hoi Hoi”-Rufen aus und setzen an allen möglichen und unmöglichen Stellen völlig selbstständig wieder damit ein.
James Hetfield zum Greifen nah...
“Are you singing loud?” - “Yeeeeeeah!” - “You better sing loud, the next one is coming...Proof yourself!”...geradezu fließend geht's in “Creeping Death”, dass sich in dieser Set-Position außergewöhnlich gut macht. Lustig anzuhören, dass die Menge mit Wahnsinns-Power hier schon jeden Ton des Intro-Riffs begeistert mitsingt...habe ich sonst auch noch nirgendwo erlebt, macht aber einen Riesenspaß. Der Refrain kommt von Zuschauerseite fast lauter als aus der P.A. und das Grinsen auf den Gesichtern der Band ist in jeder Minute überdeutlich zu sehen. In der “Die!”-Bridge muss der Frontmann sich sogar die Ohren zuhalten...”It's too loud!”.
Tief zufrieden wird auch nach der “Ride the lightening”-Übernummer wieder mit dem Publikum gespielt...”Oh yeah?”-”Yeeeeeeeah”-”Huargh?”-”Huargh!”....die Antwort ertönt immer in ohrenbetäubender Lautstärke, gegen die die P.A. zur Dorfdisco-Anlage zu verkommen scheint. Breit grinsend startet Hetfield anschließend ins “Of Wolf and Man”-Riff...neben der Intro-Panne die zweite große Überraschung des Abends. Die Belgier sind hellwach und der ganze Song wird voller Begeisterung mitgeschmettert, jeder Einsatz passt und es herscht eine unwiderstehliche Magie zwischen Band und Publikum, die ich so auch nur vom “Rock Werchter”-Festival kenne, soviele text- und hoi-kundige Fans auf einem Haufen gab's noch nichtmal auf der Hallentour im Mai.
Das nachfolgende “One” startet wie immer mit höchstimposantem Feuerwerk, bevor das herzzerreißend schöne Clean-Intro startet. Die Bühne ist schwarz, ein einzelner Spot erleuchtet den Frontmann...und wieder wird jeder Gitarrenton aufopferungsvoll von der Menge mitgesummt. Die Bridge stellt die erste wirkliche Herausforderung des Abends für Lars' oft kritisierte Double-Bass-Künste dar und er hatte definitiv schon schlechtere (aber sie war auch schon regelmäßiger) Tage. Sobald die Band in den Triolen-Rhythmus einsetzt, ist die Crowd sowieso wieder der Hauptdarsteller und begleitet das Halbballaden-Epos textsicher ins großartige Finale.
Das sich immer mehr zur Fan-Hymne hochschaukelnde “Broken, Beat and Scarred” wird dann auch in der jetzt schon 4. Ansprache ans Publikum selbigem gewidmet. An dieser Fan-Kommunikation sollten sich die Herren “Mastodon” vielleicht auch mal ein Beispiel holen, doch Bill Kelliher hat sich mit seiner Freundin schon wieder in den Backstage-Bereich verdrückt.
Mir treibt es beinahe die Tränen in die Augen, wenn ich sehe wie begeistert auch die “Death Magnetic”-Songs lautstark abgefeiert werden. In der Bridge verlagert Hetfield seine Bühnenpräsenz auch verstärkt auf die rechte Seite...also zu uns! Sein Grinsen nimmt beinahe Julia Roberts-Ausmaße an angesichts der Begeisterung, die ihm hier entgegenbrandet. Knapp 3-4m von uns entfernt schwingt der Gitarrengott seine Axt in alle erdenklichen Rock-Star-Posen, schreit ins Publikum und selbiges ist regelrecht magnetisiert von vollkommener Ehrfurcht, von der fremdartigen Überlegenheit und gleichzeitig praktizierten totalen Fan-Nähe des Frontmanns. Sein Blick geht nicht hochnäsig über die Masse hinweg, man hat das Gefühl, dass er jedem einzelnen Fan in die Augen schaut, ihn anlacht und dass die Band allgemein mindestens genausoviel Spaß an diesem Konzert hat, wie das steil gehende Publikum.
“I heard you singing, Men!”...zufrieden schweift sein Blick über die Menge...”We give you our best...you give you...eh you give...eh...argh...you know what I mean.”.....Hetfield kommt ins Stottern und schiebt die Schuld auf die lauten Boxentürme hinter ihm. Nun darf das Publikum auch mal grinsen...derartige Momente erhöhen die Dynamik der Show und geben einem das Gefühl Teil von etwas Einzigartigem zu sein, was bei jedem Gig anders ausfällt, wo auch mal Fehler passieren. Und Fakt ist, dass jeder “Metallica”-Gig der “World Magnetic”-Tour vollkommen anders ausfällt. Die Rotation der Setlist nimmt noch nie dagewesene Ausmaße an, 50% Konstanten...der Rest wird jeden Tag auf's Neue komplett unvorhersehbar zusammengewürfelt. Mir ist keine andere Band bekannt, die derartige Abwechslung praktiziert und vielleicht liegt auch da die Erklärung für die jedes Mal alles umblasende Spielfreude, die die Altmetaller immer wieder an den Tag legen.
“C...C...Cyanide” ist die nächste neue Nummer im Programm und ich schreie begeistert auf...endlich live...ich liebe diesen Song und steige begeistert in die obligatorischen “Hoi Hoi Hoi”-Chöre von den anderen 80.000 Belgiern ein, die diese Liebe offensichtlich teilen und den gesamten Song leidenschaftlich mitsingen und der P.A. einmal mehr Konkurrenz machen. Die leicht proggige Bridge wird mit einzigartiger Präzision ins Publikum abgefeuert, wie man sie dieser Band gar nicht mehr zutraut. Mit Gänsehaut spielen sich Hammett und Hetfield in den zweistimmigen Solo-Olymp, bevor der großartige Groove wieder von vorne beginnt.
Wo wir gerade bei groovigen Midtempo-Nummern sind, passt natürlich auch “Sad but true” hervorragend, welches kurz von James angesungen wird, bevor das Publikum wieder das Ruder übernimmt und den Frontmann merklich überstimmt.
Wäre der Vince jetzt hier...er würde vermutlich zufrieden grinsen, denn der Setlist-Gott Ulrich hat “Welcome Home (Sanitarium)” als Halbballade für den heutigen Mittelblock des Sets ausgewählt. Einwandfrei atmosphärisch wird der “Master of Puppets”-Track in die melancholisch mitwankende Crowd gepumpt, bevor hunderttausende Hände für den Refrain mobilisiert werden und schließlich mit “Leave me the fuck alone” in die von betörender Präzision abgefeuerte Bridge geführt werden. Eine der besten Performances dieses Songs, die ich bisher miterleben durfte...
Das Tape-Intro kündigt dann schließlich den nächsten “Death Magnetic”-Track an....”All Nightmare Long” und das Publikum ist schon wieder lautstark am mitgehen, bevor die Band überhaupt wieder auf der Bühne steht. Sobald Hetfield und Hammett dann aber in das Slayer-eske Riff-Gewitter startet, gibt es kein Halten mehr. Bassist Rob Trujillo hat derweil mit anderen Problemen zu kämpfen. In der Bridge des etwas sloppy runtergezockten 7-Minüters ist von ihm plötzlich nichts mehr zu hören. Er sprintet an den Bühnenrand, bekommt einen neuen Bass in die Hand gedrückt und spielt mit einem Schulterzucken zu James weiter, weil er immer noch keinen Sound hat. Als die Technik dann gegen Ende wieder funktioniert, grinsen beide und wenden sich wieder dem Publikum zu. Die Ulrich'sche Double-Bass holpert derweil beinahe auf Amateur-Level ins Finale, was die technischen Schwächen des Quartets offensichtlich unterstreicht. Daher kann der Über-Track live bisher nicht wirklich überzeugen, “The Judas Kiss” wäre da eventuell die bessere Wahl.
Nach einem kurzen – allerdings eher unspektakulären – Kirk-Solo folgt dann die “Death Magnetic”-Ballade “The Day that never comes”, bei welcher die Jungs dann wieder alle an einem Strang ziehen. Das Publikum summt währenddessen die Intro-Soli von Hammett begeistert mit und unterstützt die Vocals anschließend mit beherzter, textsicherer Begleitung und gerade mit derartiger Publikumsbeteiligung zeichnet sich ab, dass dieses Teil sich bestens in eine Metallica-Setlist integriert, vorausgesetzt James ist gut bei Stimme, den die Bridge führt in jedes Mal hörbar an seine eigene Schmerzgrenze. Heute sitzt aber selbst das höchste “This I swear” auf den Punkt genau, worauf er noch ein zufriedenes “I swear it to you, Werchter!” nachschiebt. Die Riff-Puzzle-Bridge des Songs wird präzise durchgerattert, mit mehreren Publikums-Animationen versehen und endet in einer weiteren Panne, weil Lars Ulrich seine Snare außer Gefecht setzt und die letzten Takte des Songs nur mit Bass-Drums und Toms bestreiten kann. Noch während die Rückkopplung die Trommelfelle des Publikums massiert, wird im Eiltempo Ersatz installiert und es geht fließend weiter zu “Master of Puppets”, welches wie immer und überall sämtliche Fan-Chöre mobilisiert, die hier mal wieder unglaublich laut ausfallen. Während bei “Rock am Ring” in der Regel 80.000 Menschen ratlos dastehen, wenn James in der cleanen Bridge das Publikum zum Mitsummen auffordert, wissen die Belgier auf Anhieb was zu tun ist und übertönen mit Leichtigkeit die Lead-Gitarre....Hetfield grinst, das Publikum grinst, tausende Hände in der Luft.....Magie...
Die Spannung steigt bei mir ins Unermessliche...der Setlist-Slot nach dem “Master of Puppets” ist einer dieser unberechenbaren Rotations-Slots, in denen immer ein rotzig schneller Fast-Track stationiert wird...aber welcher wird es heute werden? Ich will nur einen einzigen hören...den einen, auf den jeder “Metallica”-Fan auf der Welt wartet...live unglaublich selten, eine Rarität, die bis zum Jahr 2004 noch nie live performt wurde....1988 geschrieben...und laut Lars Ulrich nie für eine Live-Performance angedacht weil einfach viel zu schwer.....doch heute ist es an der Zeit und ein Tape-Intro kündigt das rasend schnelle Donnerwetter an.....sagenhaft! Hanni springt und gröhlt begeister los.....Werchter springt und gröhlt begeistert los...ein Tom-Wirbel beendet das Intro und die Band schreddert drauflos, während mehrere 20m hohe Flammensäulen links und rechts von der Bühne in die Höhe schießen: “Dyers Eve”! Und selbst hier ist die Crowd textsicher...bei einem Song, bei dem jedes “Ring”-Publikum mit einem großen Fragezeichen über dem Kopf die 4 Horsemen anglotzen würde...die Belgier haben alles im Griff und kleben Hetfield an den Lippen während gleichzeitig die Pommesgabeln wundgeschüttelt werden und wo man nur hinsieht, steht den Menschen die Begeisterung über dieses Juwel ins Gesicht geschrieben. Natürlich gibt's wie in den seltenen Live-Performances des Songs in den letzten Jahren auch für uns nur die abgespeckte Variante...denn die Original-Version mit einem Double-Bass-Teppich, den selbst Mike Portnoy nicht besser hinbekommen hätte, ist für Lars Ulrich heute wie damals einfach eine Nummer zu flott, weswegen er sich auf seinen klassischen Thrash-Beat ohne Doppelpedal-Hektik beschränkt. Für mich geht's in Ordnung...ich habe nicht wirklich erwartet, dass der herumwuselnde Däne in den letzten 2 Monate gelernt hat, wie man perfekt Double Bass spielt. Bis auf die technischen Downgrades der Drum-Spur ist die Performance aber über jeden Zweifel erhaben....Kirk Hammett feuert das bockschwere Solo ohne Hänger raus und Hetfield meistert auch die höchsten Gesangspassagen mit Bravour und entfacht damit eine unbändige Energie, die von der Crowd im Ping-Pong-Verfahren immer wieder voller Begeisterung zurückgeworfen wird.
“Dyers Eve for you Werchter! Does it feel good?” - “Yeeeeeeeah!”
Dann folgt das Standart-Finale des regulären Sets. “Nothing Else Matters” lässt nach einem kurzen Kirk-Solo die Feuerzeuge in die Höhe schnellen und sorgt für wieder ohrenbetäubend laute Publikumschöre. Dann - ebenfalls obligatorisch - “Enter Sandman”...nun hält es auch den letzten Zuschauer nicht mehr ruhig auf den Füßen. Die Menge kocht, springt und klatscht (tatsächlich im Takt, sogar das können die in Werchter :-D) und am Ende des Intros fliegt eine ganze Amada von Feuerwerkskörpern in die Luft, die den belgischen Himmel in ein atmosphärisches rotes Licht taucht. Plötzlich spüre ich einen leichten Schlag auf der Schulter...auf dem brandneuen Metallica-Shirt ist ein angekokeltes Teil eines Feuerwerkskörpers gelandet...lachend wird's direkt sorgfältig eingepackt. Plektren fangen kann jeder...aber ein Teil vom Feuerwerk...;-)
Nachdem der Sandman mit einer weiteren Feuerwerks-Ladung und einem gigantisch “Hoi”-lastigen Finale zu Bett gegangen ist, werden die ersten “We want more!”-Rufe bereits laut, bevor die Band die Bühne verlassen hat.
Thank you, good night?
Die Herren lassen sich dann auch nicht allzulang bitten und kommen mit einem herrlich drückenden “Frayed Ends of Sanity”-Jam auf die Bühne und die Werchter-Crowd geht einmal mehr steil...das Intro des vertrackten – afaik noch nie live gespielten – 8-Minüters lässt zig-tausende den Rhythmus mitsummen und das begeisterte Grinsen der Band treibt die Menge zu immer lauteren Publikumschören an....dann der nahtlose Übergang zu “Last Caress”...meine vierte Live-Begegnung mit dem punkigen Misfits-Cover...brauche ich jetzt nicht wirklich, aber ist dennoch immer wieder ein hervorragender Live-Garant für gute Stimmung. Der letzte Akkord ist kaum verstummt, da zeigt Hetfield fordernd auf Hammett, welcher schließlich mit einem quietschenden Pick-Slide in den “Kill em all”-Opener “Hit the lights” überleitet, welcher insbesondere im Chorus einmal mehr die Massen mobilisiert und in der Solo-dominierten Bridge noch einmal jede Menge Gelegenheit zum furiosen Lead-Guitar-Gewichse bietet.
Dann ist die Bühne dunkel. 80.000 Kehlen bellen die 3 magischen Worte, die einfach jedes Metallica-Konzert beenden müssen: “Seek & Destroy”. Hetfield betritt die Bühne wieder und es wird Zeit für die finale Ansprache...”Metallica has been to Werchter for 6 times now......maybe more times than you have...”.....”Nooooo” plärrt die Menge zurück....Hetfield grinst und meint: “Allright, then we have to come back some more.”...begeisterte Zustimmung......dann werden die Lichter ins Publikum gerichtet, weil der Chef sehen will, ob auch jeder beim folgenden Song alles gibt.
Und es ist immer wieder einmalig wie die Hände beim ersten Riff in die Höhe schnellen, die “Hoi Hoi”-Chöre setzen ein, bevor Hetfield die entsprechende Animation startet....der Frontmann grinst begeistert...und Werchter ist lauter als jemals zuvor. “Werchter, give me your best!” erhöht die Crowd-Lautstärke nochmal und die Magie ist einmal mehr fast greifbar und doch so einzigartig, dass man sie doch nirgendwo hin mitnehmen kann. Hetfield kommt wieder zu unserer Seite, sein Blick schweift über die tausenden Pommesgabeln.....dann der Break...”Say hello to my friend, Lars!”...der zappelnde Däne wird lautstark begrüßt, die Bridge setzt ein, Hammett kreiert Solo-Welten, die eine ganze Armee zu vereinen scheinen...dann kurze Pause...”Oh yeah?” - “Yeeeeeeeah!” - “Oh yeaaaaaah?” - “Yeeeeeeeeeeeeeahh!”...und das magische Riff einmal mehr...”This is your last chance!”...Werchter nutzt sie wie keine andere “Metallica”-Crowd, die mir bisher untergekommen ist......lauter als die P.A., textsicher und komplett Diskographie-kundig. Im großen Finale werden die Riffs lautstark mitgesummt, bevor Hetfield sich mit einem röhrenden “Metallica loves you, Werchter! We'll see you here on number 9!.........eh...number 7!”...die Menge lacht.
Es folgt die übliche Prozedur, die Band läuft über die gesamte Bühne, bedankt sich scheinbar bei jedem einzelnen Zuschauer, wirft Plektren und Drum-Sticks in die Menge und nach knapp 10 Minuten folgt dann der finale Abschied: “Werchter, you kick ass!”...und auch wenn sie das nach jedem Konzert sagen, ihren Gesichtern ist es anzusehen, dass es heute von Herzen kommt, denn selten war die Interaktion, die Kommunikation, das Aktion-Reaktion-Prinzip so ohrenbetäubend laut, fast nirgendwo sonst funktioniert es so gut wie hier...wie zwischen 2 alten Bekannten, die sich so gut kennen, dass sie schon wissen, was der andere sagen will, bevor er es sagt...wie eine alte Liebe, die immer wieder kehrt und deren Feuer nie erlischt....da lassen sich auch Technik-Macken und kleinere Spielfehler verschmerzen. Diese Band wird technisch nie zum Nonplusultra gehören, aber die Magie, die hier heute in der Luft lag, schafft kein anderer Metal oder Rock-Act...gegen diese ungeheure, unberechenbare Dynamik können durchgeplante Megashows der Marke “AC/DC” genauso einpacken, wie perfekt choregraphierte Pop-Feuerwerke der Marke “Michael Jackson” & Co.....hier wird sich noch mit Schweiß der Arsch abgeackert, Plektren abgenutzt, Stahl bis zum Geht-nicht-mehr verzerrt, Felle brutal verdroschen, Stimmbänder wund gesungen, Fehler gemacht: hier hat man nicht den Eindruck eine perfekt einstudierte Folge von Liedern zu sehen, hier ist man Teil von etwas Organischem, was jedes Mal anders ausfällt, immer wieder überrascht und auch nach dem 6ten Mal noch einen Heidenspaß macht. In diesem Sinne: See ya next year!
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Mastodon
Seasick Steve
,5
The Mars Volta
,5
Black Eyed Peas
,5
Kaiserchiefs
Nine Inch Nails
1.1,000,000
2.Terrible Lie
3.Heresy
4.March of the Pigs
5.Piggy
6.I'm Afraid Of Americans (David Bowie cover)
7.Burn
8.Gave Up
9.Non-Entity
10.The Big Come Down
11.Wish
12.Survivalism
13.Suck
14.The Hand That Feeds
15.Head Like A Hole
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16.Hurt
Metallica
,5
1.Blackened
2.For Whom The Bell Tolls
3.Creeping Death
4.Of Wolf And Man
5.One
6.Broken, Beat And Scarred
7.Cyanide
8.Sad But True
9.Welcome Home (Sanitarium)
10.All Nightmare Long
11.The Day That Never Comes
12.Master Of Puppets
13.Dyers Eve
14.Nothing Else Matters
15.Enter Sandman
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16.Last Caress (Misfits cover)
17.Hit The Lights
18.Seek & Destroy
Rock Werchter
4-Tagesticket: 169 Euro
Tagesticket: 75 Euro
Campingplatz-Gebühr: 20 Euro
Parkgebühr: 15 Euro
Der belgische Festivalkönig verteidigt seinen Thron souverän gegen jegliche Mitbewerber. Wer musikalisch halbwegs offen ist, wird auf dieser von hohen Pappeln eingerahmten Wiese sein Paradies finden. Das Lineup ist spektakulär, große Namen finden sich zuhauf, aber auch unbekanntere Künstler bekommen hier die Gelegenheit vor einem großen Publikum aufzutreten. Selbiges ist bunt gemischt, vom Metaller, über den Alternative Rocker, zum Blues-Fan, Hip-Hopper bis hin zum Housemeister.....hier ist für jeden Musikgeschmack etwas dabei und – was noch viel wichtiger ist – hier werden sämtliche Richtungen friedlich nebeneinander abgefeiert. Die völlige Abwesenheit von Mosh-Kiddies sorgt für ein rundum stressfreies und entspanntes Konzerterlebnis. Darüberhinaus herrscht im Wellenbrecher-System ein ständiges Kommen und Gehen, was auch beim Main-Stage-Erreichen ca. 1 Stunde vor dem Headliner noch eine Position in der 2.-3. Reihe möglich macht. Das gibt's nirgendwo sonst!
Das Bon-System funktioniert gut und vor allem schnell, die Preise sind Festival-typisch angezogen, aber noch im Rahmen. Lediglich die Parkgebühren sind mit 15 Euro eine Frechheit. Gratis-Wasser gibt's an mehreren fest eingerichteten Punkten, darüberhinaus sorgen die Sonnen-Eincreme-Aktionen des Coca-Cola-Personals für gute Stimmung. Die Toiletten-Situation ist auf dem Festivalgelände und auch rundherum sehr großzügig ausgestattet und überraschend gut gepflegt. Kein Vergleich zu “Rock am Ring”.
Wenn man trotz aller Stände, Schilder (leider meistens nur belgisch) und Pläne mal nicht weiter weiß, kann man sich jederzeit an die ungewöhnlich nette Security wenden, die ähnlich relaxt und freundlich daherkommen, wie das durchmischte Publikum. Darüberhinaus wird durch eine Vielzahl von Ordnungskräften der Verkehr so geregelt, dass wir ohne Stau sofort vom Parkplatz abfahren konnten, obwohl gleichzeitig zig-tausende andere Festivalgänger ihre Heimreise antraten.
Der im Vergleich zur deutschen Konkurrenz höhere Karten-Preis relativiert sich, wenn man bedenkt, dass es sich hier um ein 4-Tage-Festival handelt.
“Rock Werchter” legt in allen Kriterien eine lupenreine Punktlandung hin. Sensationell gut und aufgrund der tollen, entspannten Atmosphäre in Verbindung mit abwechslungsreichem Musikprogramm der perfekte Sommerausflug! Vergesst Rock am Ring, Hurricane & Co und investiert das Geld lieber in einen Belgien-Ausflug! Es lohnt sich!