Shamo - The Ultimate Fighter

Der Action Film der 80er, der 90er und heute.
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freeman
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Shamo - The Ultimate Fighter

Beitrag von freeman » 01.03.2010, 13:09

Shamo – The Ultimate Fighter

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Originaltitel: Shamo
Herstellungsland: Hongkong
Erscheinungsjahr: 2007
Regie: Soi Cheang
Darsteller: Shawn Yue, Masato, Dylan Kuo, Francis Ng, Bruce Leung Siu-Lung, Annie Liu, Ryô Ishibashi u.a.

Ryo Narushima soll seine Eltern umgebracht haben. Da er erst 16 Jahre alt ist, fährt er in eine Jugendstrafanstalt ein. Etwas Schlimmeres konnte ihm wohl kaum passieren, denn hier sieht sich der eher feingeistig wirkende Junge tagtäglich den Repressalien seiner Mitinsassen ausgesetzt. Als es unerträglich wird, nimmt sich der Karate Meister Kenji Kurokawa des Jungen an und lehrt ihn effektive Kampfsportkniffe, mittels derer sich Ryo fortan den Respekt der anderen Gefangenen erkämpft. Jahre später wird Ryo wieder auf freien Fuß gesetzt. Doch so recht will er mit dem Leben außerhalb der Gefängnismauern nicht klarkommen. Also versucht er, sich Ziele zu setzen. So will er seine in die Prostitution abgerutschte Schwester finden und den ultimativen Kampfsportchampion des Landes schlagen. Auf dem Weg dahin muss er einige Rückschläge hinnehmen …

Zugegeben, die Story von Shamo klingt aufs Wesentlichste herunter gebrochen vollkommen 0815 und scheint die typischen Martial Arts Themen pflichtbewusst abzuhaken: Typ wird gedemütigt, findet Lehrer, der ihn Selbstbewusstsein mittels Kampfsport lehrt, und steht am Ende seinen Peinigern in einem alles entscheidenden Kampf gegenüber. Das kennt man dank diverser Jackie Chan, Jean Claude van Damme und Karate Kid Kracher hinlänglich. DOCH sollte man Shamo nun nicht voreilig abschreiben und sich ins Gedächtnis rufen, wer Shamo gemacht hat. Pou-Soi Cheang ist sein Name. Dieser hat vor einiger Zeit mit Dog Bite Dog den meines Erachtens tollwütigsten und heftigsten Beitrag zum Thema Eskalation einer Gewaltspirale abgeliefert und auch mit seinen Werken vor jenem Film bewiesen, dass versöhnliche Themen nicht wirklich sein Metier sind.

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Und so nimmt sich Pou-Soi Cheang die simpel anmutenden Storyelemente einer japanischen Mangavorlage her und bricht mittels deren Story das Martial Arts Genre komplett auf. So wird sein Held nicht gedemütigt. Nein, Ryo wird gebrochen und komplett zerstört. Er wird getreten, geschlagen, belogen, hintergangen, betrogen und sogar vergewaltigt. Die sich daraufhin mit seinem Lehrmeister auftuende Beziehung ist auch eher durch Konkurrenz und Misstrauen denn durch das typische Meister Schüler Respektsgebaren gekennzeichnet und erstaunlicherweise geht es für Ryo nach dem Erlernen der Martial Arts Fähigkeiten auch nicht wirklich bergauf. Denn nachdem der Regisseur seine Hauptfigur mit dem Brechhammer in die Opferrolle drängte und eine Art Grundsympathie beim Zuschauer einrichten konnte, stößt er den Zuschauer brachial von der Figur weg. Denn einmal in Freiheit wandelt sich Ryo noch einmal ordentlich. Er schafft als Callboy an. Die Suche nach seiner Schwester gerät ins Stocken, als er sich eine Hure anlacht, für die Kampfsportkarriere lässt er sich auf zwielichtige Typen ein und spritzt sich Steroide, er verprügelt Frauen und macht bei seinen Prügeltouren – bei denen er zumeist irgendwo bewusstlos in einer Ecke endet! – keinen Unterschied zwischen Freund und Feind. Kurzum: Er wird zu einem Riesenarschloch!

Und das will sich bis zum Ende nicht mehr wirklich ändern. Letztlich geht es eigentlich nur noch darum, dass Ryo eine wichtige Sache lernen muss. Dass er dafür halb tot geprügelt wird, passt auf diesen teilweise wirklich extrem deprimierenden und anstrengenden Film wie die sprichwörtliche Faust aufs ohnehin schon tiefblaue Auge. Trostlos und bar jeder Hoffnung inszeniert Pou-Soi Cheang den kompletten Niedergang seiner Figur und macht es dem Zuschauer abschnittsweise verteufelt schwer, durchzuhalten. Zumal Ryo wirklich durchgehend nur auf die Fresse bekommt und einfach nicht zu lernen scheint, dass es so nicht weitergehen kann. Andererseits ist er auch Opfer der Umstände, in denen er am Bodensatz der Gesellschaft dahinvegetiert: Geächtet als Mörder, als Kämpfer nicht geachtet und als Mann keinen Pfifferling wert, wird er hintergangen und für die Ziele anderer missbraucht. Ryo ist ein kleines Rädchen in einem großen Getriebe. Und das Schlimmste: ER merkt es nicht.

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Dieses wirklich depressive Konstrukt verpackt Pou-Soi Cheang in alptraumhaft düstere Bildkompositionen, die bei aller Morbidität etwas unglaublich Schönes haben, wuchert mit grandiosen Kameraperspektiven, bedient sich eines eigenwilligen Schnittstils und setzt auf verstörende Klangcollagen, die seine Bilder teilweise noch abweisender als ohnehin machen. Erstaunlich sind immer wieder verwendete Bilder, in denen die Hintergründe förmlich im Schwarz absaufen, während sich vor diesen dunklen „Leinwänden“ Menschen in kontrastreichsten farbigen Klamotten und Frisuren die Köpfe einschlagen. Hier scheint immer mal wieder die Mangavorlage durchzuschimmern, fühlt man sich doch massiv an die zumeist eher reduzierten Mangapanels erinnert. Brutalitätstechnisch kennt er ebenfalls keine Grenzen. Die gebotenen Fights (vom deutschen Verleih irrigerweise mit den Ong Bak Choreografien gleichgesetzt) sind brutal, direkt, erdverbunden, realitätsnah, blutig und effizient choreographiert. Die Bebilderung der recht zahlreichen Kampfeinlagen ist energetisch, wuchtig und atmet dank mittenrein gehender Kamera viel unmittelbare Direktheit, ohne jemals unübersichtlich zu wirken. Eine virtuose Kampfsportbombe sollte man sich allerdings nicht erwarten, dazu ähneln sich die Kampfsequenzen größtenteils viel zu sehr.

Dies dürfte auch auf den Hauptdarsteller Shawn Yue zurückzuführen sein, der mir persönlich nicht zwingend als Kampfsportexperte in den Sinn kommt. Er erledigt die kampfsporttechnischen Anforderungen seiner Rolle ordentlich, aber eben niemals spektakulär oder gar innovativ. Da kommt ihm sehr entgegen, dass die Choreografien eben so erdverbunden sind. In darstellerischer Hinsicht sieht es dann schon ganz anders aus. Shawn Yue agiert immer an der Grenze zur Selbstaufgabe und geht komplett in seiner Rolle auf, was größten Respekt einfordert. Das große Problem ist nur, dass einem dadurch Ryo nicht wirklich sympathischer wird und man ihn eher hasst, als zu verstehen, was ihn antreibt. Dies ist aber auch „Verdient“ des Drehbuchs, das die Antriebe und die Motivation von Ryo niemals offen legt und er einem so durchaus noch fremder vorkommt als ohnehin schon.

Als sein Meister agiert Hongkongs Großmeister der ambivalenten und fiesen Charaktere. Francis Ng. Wenn man ihn an Bord hat, kann eigentlich gar nicht mehr viel schief gehen und er ruft die von ihm gewohnte Leistung auch scheinbar mühelos ab. Doch letztlich scheitert auch er an der quasi nicht existenten Charakterzeichnung seiner Figur. Der Rest im Cast ist da, um aufs Maul zu kriegen oder sexy auszusehen. Beides klappt durchweg ganz ordentlich …

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Am Ende von Shamo (= Kampfhähne) gibt es da diesen einen Moment. Eine winzig kurze Szene, die das Martyrium Ryos zu einem positiven Ende zu führen scheint. Ein kleiner, nach dem bisher arg bedrückenden Verlauf so hoffnungsvoller Moment, der Shamo als Film richtig aufleuchten lässt, ihm unverhofft eine geballte Ladung Seele einhaucht und den Zuschauer fast schon beglückt zurücklässt. Wie der Regisseur es geschafft hat, diesen Moment so präzise und eindringlich zu setzen, dass ist schon ganz großes Kino und wertet die wirklich düstere Tour de Force um ein Vielfaches auf. Davon abgesehen ist Shamo ein verdammt finsterer Happen geworden, der es einem konsequent ziemlich schwer macht, mit ihm warm zu werden. Optisch und schauspielerisch ist der Film dabei über jedweden Zweifel erhaben, das vollkommene Aufbrechen diverser Genreregeln ist so düster wie konsequent und auch so manch großartiger Kinomoment leuchtet hier immer wieder durch. Im Großen und Ganzen ist Shamo aber einfach mal richtig deprimierendes, anstrengendes Kino … quasi ein nihilistischer Arthausklopper …
:liquid6:

Die deutsche DVD kommt von I-On New Media und ist mit einer FSK 18 Freigabe ungeschnitten. Die deutsche DVD hat aber ganz große Probleme, dem optischen Konzept des Regisseurs gerecht zu werden. Sie wirkt verwaschen, unscharf und viel zu weich …

In diesem Sinne:
freeman
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