Der goldene Kompass

Filme die viel kosten und meistens nicht das halten, was der Trailer verspricht.
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Der goldene Kompass

Beitrag von freeman » 10.12.2007, 23:36

Der goldene Kompass

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Originaltitel: The Golden Compass
Produktionsjahr: 2007
Herstellungsland: USA
Regie: Chris Weitz
Darsteller: Nicole Kidman, Daniel Craig, Dakota Blue Richards, Freddie Highmore (Stimme Pan), Ian McKellen (Stimme Iorek Byrnison), Eva Green, Sam Elliott, Christopher Lee u.a.

In einer Parallelwelt zu der Unsrigen, in der vieles gleich und vieles so ganz anders ist, kommt es zu seltsamen Vorkommnissen. Immer mehr Kinder verschwinden spurlos und die Verbliebenen raunen immer wieder den Namen der vermeintlichen Entführer: Die Gobbler. Diesen Vorgängen und dem großen Warum hinter den Kindesentführungen beschließt man nachzugehen. Eher zufällig wird die kleine Lyra in diese Ereignisse verstrickt und erhält im Auftrag ihres Onkels ein mächtiges Werkzeug zur Klärung dieser Entführungen. Das Alethiometer, eine Art Kompass, führt Lyra nach Norden. In die eisigen Gefilde dieser seltsamen Welt. Hier gerät sie an diverse neue Weggefährten, die ihr helfen wollen, die Kinder zu befreien und Licht in die Machenschaften des finsteren Magisteriums, das diese Welt beherrscht, zu bringen. Nebenbei wird die angebliche Waise Lyra auch noch einiges über ihre familiären Verhältnisse erfahren ...

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Dem goldenen Kompass gelingt, was diversen "Nachfolgeprojekten" von der Herr der Ringe Trilogie versagt blieb: Der Film erschafft endlich einmal wieder eine komplett eigene Welt, die in ihren Grundfesten hervorragend funktioniert und den Zuschauer an die Hand nimmt und aus seiner tristen Welt entführt. Dabei variiert man im Vergleich zu der unsrigen Welt einfach nur einige Punkte marginal und erschafft so aufgrund etwas eigenartiger Architektur und wirklich cool designter Fortbewegungsmittel ein nur leicht verzerrtes Spiegelbild unserer Welt aus der Zeit der einsetzenden Industrialisierung. Als wäre das nicht schon Augenschmaus genug, werden die Städte nicht einfach nur von wimmelnden Menschenmassen bevölkert. Vielmehr wird jeder Mensch von einem Daemon begleitet. Die Verkörperlichung der Seele, die in dieser Welt außerhalb des menschlichen Körpers existiert und genauso verletzbar und angreifbar ist, wie der Körper selbst. So eignet sie sich hervorragend für Zwiegespräche oder sie kann sogar unmittelbar in die Geschicke des jeweiligen Besitzers eingreifen. Diese Idee hat vor allem zu Beginn von Der goldene Kompass das größte Potential, den Zuschauer zu faszinieren und das, wo er in dieser Phase mit optischen Einfällen schier überschüttet wird. Dabei hat aber die eigentliche Geschichte zunächst etwas Pause.

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Chris Weitz nutzt die ersten 30 Minuten nämlich etwas zu sehr, um seine Welt zu bebildern und sich mit Nebensächlichkeiten aufzuhalten. Erst wenn Der goldene Kompass in den kalten Gefilden dieser Welt angelangt ist, tritt Weitz gehörig aufs Tempo, installiert seine Mythologie und führt mit den Panzerbären die wohl coolsten Fantasygestalten der letzten Jahre im Genre ein. Mit ihrem Verhalten, ihren Kodizes und ihrer puren Ausrichtung auf den Krieg erinnern sie an die Samurai unserer Welt, nur eben erweitert um den Aspekt des Bärigen. Im Zusammenspiel der kleinen Lyra mit dem riesigen Polarbären Iorek Byrnison hat der Film folgerichtig auch seine besten Momente und Dialoge. In den letzten 30 Minuten dreht Weitz richtig auf und dann ... ist die Chose auch schon wieder vorbei und man verlässt etwas enttäuscht den Kinosaal. Das hat gar nichts mit der Qualität des Filmes zu tun, vielmehr mit seiner Laufzeit. Denn wenn der goldene Kompass endet (die Nettolaufzeit liegt maximal bei 100 Minuten, der Abspann ist ewig lang!), gab es beim Herrn der Ringe die Raucher- und Urinierpause und ließ sich ein Peter Jackson fast noch gar nicht in die Karten schauen. Noch schlimmer ist, dass der Goldene Kompass genau zum Ende seine Zuschauer wirklich gepackt hat und richtig interessant wird. Somit erfüllt er zwar alle Voraussetzungen eines Cliffhangerendes, aber ein schlechter Nachgeschmack bleibt schon, hätte sich Weitz doch durchaus mindestens eine halbe Stunde mehr Zeit nehmen können. Zumal er weit vorm Ende des Romanes von Philip Pullman einen zwar nachvollziehbaren aber eben ziemlich abrupten Schnitt setzt. So wird sein Film immerhin zu einem einigermaßen befriedigenden Ende in Bezug auf die bebilderten Ereignisse gebracht, in Hinsicht auf die Mythologie hat man aber das Gefühl, der Goldene Kompass habe maximal an der Oberfläche seines Potentials gekratzt. Schade.

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Mit dieser etwas unepischen Herangehensweise an das Thema haben vor allem die Darsteller von Der goldene Kompass heftigst zu kämpfen. Insbesondere das große Werben mit den Namen Daniel Craig und Nicole Kidman mutet fast wie ein schlechter Witz an, kann man ihre Rollen doch maximal als gut gemeinte Cameos auslegen. Dabei kommt Craig deutlich besser weg als die Kidman, muss er doch nur seinen Charme wirken lassen, durch seine blauen Augen funkeln und durch Schnee stapfen. Dagegen hat Nicole Kidman die Aufgabe eine höchst ambivalente Figur zu entwerfen und scheitert wirklich grandios. Gäbe es ihren hinterhältigen Affen-Daemon nicht, die Kidman würde als nette Mutti von nebenan durchgehen. So hilft zumindest der Affe aus der Retorte der "großen" Kidman, ihre Rolle einigermaßen über die Runden zu bringen. Nach wie vielen Fehlleistungen musste man noch mal den Oscar wieder abgeben? Wird langsam Zeit Nicole ... ;-). Eva Green als Hexe wird schlicht und ergreifend zu spät in den Film integriert und ist dann auch ziemlich egal. Das Gleiche gilt irgendwo auch für Sam Elliot als Aeronaut Lee Scoresby, der aber alleine aufgrund seines Charmes und seines verschmitzten wie beherzten Auftretens von allen großen Namen des Filmes am Meisten in Erinnerung bleibt. Ansonsten haben wirklich ALLE Darsteller mit den komplett unterfütterten Figuren ihre liebe Not. Der Film ist schlicht und ergreifend die Show von Lyra Darstellerin Dakota Blue Richards, die am Anfang zwar noch alarmierend hohes Nervpotential vor sich her trägt, allerdings mit der fortschreitenden Handlung in den Film hineinfindet und einem durchaus ans Herz zu wachsen versteht. Wichtige Grundlage hierfür ist eben ihre Interaktion mit dem Panzerbären Iorek Byrnison und ihrem Daemon Pan, der ohnehin einen wichtigen Faktor für das Gelingen der emotionalen Ebene des Filmes darstellt.

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Dabei kommt er wie alle Daemonen aus der digitalen Retorte. Das mag zwar vielen "CGI sind böse" Heulsusen nicht gefallen, scheint aber für den Dreh des Filmes unabdingbar gewesen zu sein, kann ich mir doch gar nicht vorstellen, dass der Film mit realen Tierdressuren umsetzbar gewesen wäre! Dazu gibt es einfach viel zu viele Tiere, die hier über den Screen huschen. Obendrein muss man sich nur einmal das feinnuancierte Reagieren der Tiere auf ihre Herrchen ansehen, um zu erkennen, dass dies wohl mit realen Mitteln niemals umsetzbar gewesen wäre. Von den eigentlichen Interaktionen ganz zu schweigen. Dabei stehen die Effekte eindeutig im Dienste des Filmes und versucht man gar nicht auf Gedeih und Verderb Fotorealismus zu erzielen. Dafür sorgen kleine Details wie verzerrte Größenverhältnisse, etwas unwirkliche Fellfarben oder beständige bläuliche Lichtschimmer im Fell der Daemonen. Dafür ließ man dann bei den Hintergründen die PC-Muskeln spielen. Die Städte bersten vor Details, die Luftfahrzeuge sind ein Traum, die große Schlacht gegen Ende punktet mit ordentlichem Personenauftrieb und eindrucksvollen Partikeleffekten beim "Sterben" der Daemonen und auch die eisigen Landschaften wirken hundertprozentig real. Auch die restlichen technischen Aspekte wissen absolut zu überzeugen, auch wenn es wohl kaum eine Einstellung geben wird, die ohne PC-Manpower auskam. Weitz selbst versucht seinen Film immer an die aktuelle Situation anzugleichen. Dominieren zunächst noch warme Sepiafarben in den sicheren Internatswänden, die Lyra beschützen, wird die Farbpalette mit der zunehmenden Bedrohung von Lyras Welt ganz allmählich über pastellene in Richtung kältere Farben verschoben und findet dann ihren eisigblauen Farbfilterhöhepunkt am Nordpol der Welt von Der goldene Kompass. Sehr treffend untermalt werden die Bilderwelten von Alexandre Desplat, der mehrere sehr gelungene Themen lanciert und eigentlich nur von Kate Bush im Abspann im Stich gelassen wird, versprüht der Song doch Langeweile pur ...

Was bleibt ist ein Film, der lanciert wurde, um einen Nachfolger für Herr der Ringe und einen Konkurrenten für Harry Potter zu zementieren. Dabei muss man dem goldenen Kompass zugute halten, dass er sich bei keiner der beiden Serien in irgendeiner Weise bedient, sondern ein vollkommen eigenes Universum an Figuren und Schauplätzen entwirft, die obendrein im Vergleich zu ähnlichen Versuchen (Eragon, Narnia) hervorragend funktionieren und das Kino wirklich einmal wieder zu einem Ort der Realitätsflucht mutieren lassen. Rein von der Ausrichtung ist der Film dabei aber eher im Harry Potter Lager zu verorten, denn auch wenn gerade die Actionszenen fast schon zu wuchtig und druckvoll für einen Kinderfilm (und das ist nun mal das Hauptzielpublikum!) geraten sind, ist er von der eigentlichen Wucht der Ringtrilogie deutlich entfernt. Mit dem Kinderquatsch aus manch anderem Eposversuch hat er aber glücklicherweise nichts gemein. Und so bleibt grundsolide Unterhaltung, die eigentlich im Wesentlichen nur einen echten Feind hat: Ihre eigene Laufzeit. Was hätte der Film sein können mit deutlich mehr Handlungs- und Charakterspeck auf den Rippen? Man wagt es gar nicht, dies zu ermessen. Vor allem, wenn man bedenkt, welche Sprengkraft der zugrundeliegenden Romantrilogie angedieh, als diverse Kirchenvertreter die Bücher lasen und den Autoren Pullman gleich einmal zu einem Ketzer verschrien. Kurzum: Da ist noch enorm viel Luft nach oben! Zumindest schafft Der goldene Kompass das, was Narnia und Eragon versagt blieb: Er macht neugierig auf das, was da noch kommen könnte ... und damit hat Der goldene Kompass als Einstieg in eine neue Welt all seine Schuldigkeit getan!
:liquid6:

In diesem Sinne:
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Beitrag von freeman » 10.12.2007, 23:37

evtl. Teil II
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Beitrag von freeman » 10.12.2007, 23:37

evtl. Teil III
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Beitrag von MysteryBobisCREEPY » 11.12.2007, 00:25

Schmuckes Review, Film reizt mich sehr, werde aber dennoch bis zur DVD warten.
Wollt Ihr 'nen Ritt auf meinem Discostick?
Putzt euch die Zähne mit 'ner bottle of shit
Nein Mann ich will noch nicht gehen
Ich will weiter auf dich schiffen
Solang bis du erkennst
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Beitrag von Ed Hunter » 11.12.2007, 17:42

Sehr schönes Review, freeman, aber auch wenn ich mit meiner Wertung nur einen Punkt drunterliege, war ich vom Goldenen Kompass doch weit weniger angetan als es im Review rauskommt.

Neben einer generellen Abneigung gegen HdR-Nachfolge-Kinderfantasyabenteuer :wink: fand ich die Kampfbären überaus lächerlich, die Action v.a. bei den zerfallenden Dämonen nett, aber zu selten, und bei mir ging der Film gefühlt auf jeden Fall über 2 Stunden :lol: Denn wenn ich mir in nem Film Sinnfragen à la "Wie kann sich der Bär selber seine Rüstung anziehen?" oder "Wo kommen bei der Geburt dann eigentlich die Dämonen her?" zu stellen beginne, sagt das ne ganze Menge über selbigen aus :wink:

Sam Elliott war aber wirklich cool.
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Beitrag von Vince » 11.12.2007, 22:57

Juppie, danke für die Kritik, für mich ist das halt wie schon angetrailert gar nüscht. Werd ich irgendwann mal im TV mitnehmen, wenn ich dann zufällig Lust drauf hab.

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Beitrag von freeman » 11.12.2007, 23:27

Ed Hunter hat geschrieben:1. "Wie kann sich der Bär selber seine Rüstung anziehen?" oder 2. "Wo kommen bei der Geburt dann eigentlich die Dämonen her?" zu stellen beginne, sagt das ne ganze Menge über selbigen aus
1. Der Bär war besoffen ... BEsoffene können ALLES!!! Frag mal Fäb, der kann die da sicher ganze Märchenbücher drüber vollschreiben!

2. Du bist sicher auch einer, der über die "Was war eher da: Huhn oder Ei" Frage sinniert?

;-)

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Beitrag von Vince » 11.12.2007, 23:35

freeman hat geschrieben: 1. Der Bär war besoffen ... BEsoffene können ALLES!!!
Is net wahr! Eben an der Tanke hat ein Besoffener versucht, einer Lady das Ventil vom Rad abzudrehen, weil die den Luftdruck prüfen wollte. Hat er net geschafft. Also bin ich gekommen und hab der Lady den Tag gerettet. Hehe. ;)

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Beitrag von freeman » 11.12.2007, 23:40

Naja, da vergleichste ja Äppel mit Birnen ...

Ein Bär zieht ne Rüstung an vs. Ventilkampf eines Mannes. Der hat bestimmt nur simuliert und wollre der Lady in den Ausschnitt stieren ... ;-)

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Beitrag von Ed Hunter » 12.12.2007, 15:48

Ich bin der festen Überzeugung, dass das Ei früher da war als das Huhn :mrgreen:

Und da ich mir in Filmen gewöhnlich nie Sinnfragen stelle, zeigt das doch recht stark, dass mir beim Goldenen Kompass zwischendurch irgendwie langweilig war :wink:
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Beitrag von Vince » 12.12.2007, 17:13

Ed Hunter hat geschrieben:Ich bin der festen Überzeugung, dass das Ei früher da war als das Huhn :mrgreen:
Ich denke eher, dass zuerst ein Hahn da war - das ist nämlich nen Huhn mit Eiern. So, Rätsel gelöst. :lol:

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Beitrag von Ed Hunter » 12.12.2007, 22:05

Lol, den Spruch muss ich mir merken :lol:
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Beitrag von freeman » 12.12.2007, 23:31

LOL ... Oh Mann ... jetzt wird das noch voll der filosofische Fred ...

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