Weather Man, The

Filme abseits des Actiongenres mit Actionhelden (irgendwie so in der Art).
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Vince
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Weather Man, The

Beitrag von Vince » 05.12.2006, 21:34

The Weather Man

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Originaltitel: The Weather Man
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 2005
Regie: Gore Verbinski
Darsteller: Nicolas Cage, Michael Caine, Hope Davis, Gemmenne de la Pena, Nicholas Hoult, Michael Rispoli, Judith McConnell, David Darlow, Mike Bacarella, Gil Bellows, Melanie Decelles Castro, Kristen Duerdoth, David Fordham, Anne Marie Howard, Nikki Taylor Melton u.a.

Gore Verbinski. Stieg mit “Ring” 2002 in die Riege der begehrtesten Blockbusterregisseure auf, schob 2003 den Sensationserfolg “Fluch der Karibik” nach und bastelte danach eifrig an den beiden Sequels, dessen erstes in diesem Jahr wieder Millionen ins Kino lockte. Ein Mann der ganz großen Taten.

Nicholas Cage. Seit Jahren ganz dick im Geschäft, seine Rollen wechselnd wie ein Chamäleon, sich geschmeidig zwischen dem Action- und dem Charakterfach windend und immer die exzellenteste Mischung von allen findend. Ein jüngst schwer beschäftigter Mann. Genial in dem Kaufman-Geistgewirr “Adaption.” 2002, mit einem noch renommierten John Woo “Windtalkers” drehend, dann mit Ridley Scott “Tricks”, im weithin (von mir jedoch nicht) akzeptierten Bruckheimer-Projekt “Das Vermächtnis der Tempelritter” als Indiana Jones der neuen Generation auf Schatzsuche gehend und dann eine Bombe namens “Lord of War” hinlegend - ein Film, der erst schleichend groß wurde, über Mundpropaganda, gute Kritiken und das Medium DVD. 2006 sah man ihn dann in Oliver Stones “World Trade Center” - die Kontroverse hinter diesem Werk muss ja nicht weiter erläutert werden.

Was hat in diesem ganzen Pulk aus trendsettenden, teils wegweisenden, stets jedoch die aktuelle Kinoszene bewegenden Werken zweier wichtiger Männer aus Hollywood ein Film wie “The Weather Man” verloren? Irgendwo zwischendrin, im Jahre 2005, ging tatsächlich eine Tragikomödie um einen Wettermann und seine Familie ins Rennen. Belegt mit konservativen Werten. Vorbestimmt die traditionelle Wettersymbolik, ein familiäres Kammerspiel und ganz das Gegenteil dessen, was die Gemüter in den jüngsten Jahren beschäftigte. Und beinahe ist es wie ein Traum, als wäre dieser Film nie gemacht worden, als wäre er eine Geistererscheinung, die uns plötzlich zum Sonderpreis in den DVD-Regalen anlächelt. Im Cast ist Nicholas Cage aufgeführt, und zwar unter der Regie von Gore Verbinski. Selbst mancher Fan wird sich verwundert die Augen reiben, dass dieser Film tatsächlich aus dem Jahr 2005 stammen soll...

Doch es ist wahr . So wahr wie der Umstand, dass nicht immer die besten Werke von der breiten Masse diskutiert werden, sondern gerne mal im Strom der Prestigeprojekte untergehen. Wer hinter “The Weather Man” einen Schnellschuss ohne neue Qualitäten erwartet, liegt falsch. Aus thematisch betrachtet ollen Kamellen wurde etwas Erfrischendes gewonnen, das kontrovers zu sein vermag und dabei doch bestens unterhält.

In der Struktur orientiert sich Verbinski gar bei Filmen wie “Tricks” oder “Adaption”, übernimmt einige stilistische Mittel in der narrativen Struktur - etwa die hörbaren Gedankenfragmente des Protagonisten - und der visuellen Umsetzung. Dennoch steht man auf eigenen Füßen und bringt Dinger, die man mitunter nicht glauben mag, wenn sie plötzlich in den gewöhnlichen Dramen-Ablauf einbrechen - und man nicht weiß, ob man sie mit einem Lächeln oder wohliger Empörung empfangen soll.

So liebt es Dave Spritz zu fluchen; ein herzhaftes “Du fettes Arschloch” gehört noch zu den harmloseren Späßen. Zeitgleich spielt Cage aber in der Anlage den klassischen Protagonisten eines zynisch angestrichenen Dramas. Erste Szene alleine vor dem Spiegel, ein Selbstgespräch, von der Familie getrennt lebend, hat zwar im Beruf Erfolg, privat sind aber nur noch Trümmer da. Die Nebencharaktere schließen sich der Struktur an - Michael Caine, der den Vater des Hauptdarstellers spielt, besucht in seiner ersten Szene den Arzt und es ist nur folgerichtig, dass sich herausstellen wird, dass mit ihm etwas nicht in Ordnung ist. Ebenso wie das Verhältnis zwischen dem Wettermann und dem neuen Freund seiner Ex-Frau wenig herzlich ist, wie der Sohn Daves eine schwierige Phase durchmacht und auch die übergewichtige Tochter mit dem Leben zu kämpfen hat.

Doch mittendrin entfaltet sich die vom Skript intelligent herausgespielte Individualität in einem blaukalten Chicago, einer urbanen Hochburg mit Ecken und Kanten, faszinierend, schön anzusehen durch die Blaufilter, aber unwirtlich. Die Einswerdung des Zuschauers mit dem Verlierertypen von Hauptfigur erfolgt über die Tatsache, dass dieser Mann von allen Seiten mit Problemen und Ereignissen beschallt wird. Und bevor er sich auf eine Sache richtig konzentrieren kann, ist bereits die nächste Sache im Anmarsch. Das Leben zieht an Dave Spritz vorbei wie das Wetter, das sein täglich Brot ist. Spritz will es ergreifen, doch fasst er nur ins Leere, in die Greenscreen-Hölle, ins Nichts.

In diesem Inferno von sich immer neu bildenden Situationen fällt es irgendwann schwer, zu registrieren, was eine positive und was eine negative Wendung sein mag; die Kategorien “positiv” und “negativ” verlieren vollkommen an Bedeutung. Mitunter ergeben sich Muster, wiederkehrende Ereignisse, die der Wettermann wahrnimmt, als wären sie Jahreszeiten. In schöner Regelmäßigkeit wirft jemand Fast Food-Artikel auf den Prominenten, weil sich die Werfer vor dem Fernseher während der Wettervorhersage Pauschalurteile bilden, und die können auch mal negativ ausschlagen. Es gehört mit zum Job, hin und wieder mit dem “schnellen Essen” beworfen zu werden.

“The Weather Man” schlägt keine Spur ein, sondern bleibt unberechenbar bis zum Ende und findet darin seine Parabel zum symbolischen Beruf des Wetteransagers. Zu interpretieren auch als jemand, der Turbulenzen und andere Katastrophen, die ihn selbst betreffen, zu deuten lernen muss. Ein geschickter Clou: Dave Spritz hat selbst keine Ahnung vom Wetter - dafür sind Meteorologen zuständig. Er selbst simuliert nur für das TV-Publikum. Eine Szene von größter Bedeutung, als Dave beim Meteorologen sitzt und mehr darüber erfahren will, was genau er da eigentlich so wortgewandt ansagt.
Dahinter steckt eine ganze Welt voller Anspielungen auf gesellschaftliche Missstände, die wie am Reißbrett aufgelistet werden. Das Interesse ist mehr daran gehaftet, die Gesamtzusammenhänge offenzulegen anstatt einzelne Aspekte in den Vordergrund zu hieven. Ein Subplot um Kindesmissbrauch hätte sich in jedem anderen Film unweigerlich in den Vordergrund gedrängt, ja drängen müssen, hier ist es lediglich die Perle einer ganzen Kette. Eine Momentaufnahme, die sich mit anderen aufhäuft, um einen Eindruck davon zu vermitteln, was ein Stadtmensch am Ende seines Tages rekapitulieren kann.

Mittel zur Herausstellung spezieller Umstände, die Dave beschäftigen, sind urplötzliche, unerwartete Schwenks ins Absurde. Die kommen zum Teil so unerwartet, dass man vor Überraschung aufschreien möchte. Obwohl die Versuchung groß ist, möchte ich Beispiele außen vor lassen - nicht aus Gründen von Handlungsspoilern, aber doch, um den teils erschreckend absurden Momenten nicht die Wirkung zu nehmen. Sie alle verfolgen keine durchgehende Linie und wirken genau deswegen so unfassbar echt. Verbinski widersteht dabei löblich der Versuchung, eine Larger-than-Life-Story daraus zu machen, denn so sehr die Handlung von “The Weather Man” auch der symbolischen Aussage wegen mit Cuts und Montagen manipuliert wurde, sie driftet nie ab ins gemeine Hollywoodkino.

Man muss schon selbst ein Auge auf diesen Film geworfen haben, um zu verstehen, was daran so besonders sein soll. Es ist einfach die Art und Weise, wie die Wahrnehmung des Lebens durch Dave Spritz dargestellt wird. Gemäß seiner Persönlichkeit und seines bisherigen Werdegangs ist “The Weather Man” ein Drama mit komödiantischen Einlagen, ein dunkelgraues Wolkenfeld mit wenigen Strahlen Sonnenschein, die sich durchkämpfen. Eine sehr stark gezeichnete Hauptfigur, deren Gedanken bei der eigenen Familie hängen, doch auch bei Belanglosigkeiten, Sorgen um den Job, sexuelle Triebe, Philosophien über den Sinn des Lebens, über Psychologie und Soziologie. Die Frage, weshalb ein Fremder einen Prominenten, den er weder mag noch kennt, mit Fast Food bewirft - und warum es grundsätzlich immer Fast Food ist, das als Wurfobjekt dient. Alles Gedankengänge, die “The Weather Man” nicht ausspart, um ein lupenreines Familiendrama ohne überflüssigen Ballast zu zaubern. Gedankengänge, die vielmehr dabei helfen sollen, den Protagonisten noch besser zu beleuchten. So funktioniert die Zukunft des Dramakinos.
:liquid8: ,5

Die DVD von Paramount ist sehr ordentlich ausgefallen. Review gibbet hier.

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Beitrag von MysteryBobisCREEPY » 05.12.2006, 23:25

Howdy, wiedermal ein fantastisch vinceastisches Review :D

Fand den Film ganz gut, so im Bereich zwischen 7/10 bis 7,5/10 ;)
Wollt Ihr 'nen Ritt auf meinem Discostick?
Putzt euch die Zähne mit 'ner bottle of shit
Nein Mann ich will noch nicht gehen
Ich will weiter auf dich schiffen
Solang bis du erkennst
Dass meine Pisse keine Fanta ist :D
Callejon <3

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Beitrag von freeman » 06.12.2006, 01:00

Wirklich duftes Review ... RehspeckT auch für dich ;-)

Ich pack auch hier mal meine Wertung aus ganz frühen Zeiten drunter (zuletzt gesehen Fred Seite 14!!! Da hatte ich noch keine grauen Haare :lol: ), weil für mich ist der ein Full House ...

The Weather Man

"Diese Welt ist scheiße ..."

Ein Film, bei dem mein Bauch sagt, dass alles stimmt. Sehr depressive, mit unglaublich feinen Humor versehene Grundstimmung (Vergleiche zu American Beauty oder About Schmidt drängen sich geradezu auf). Grandiose Bild-Ton-Musikkompositionen, die Gänsehaut erzeugen. Ein wundervoll experimentierfreudiger Score von Hans Zimmer, der zu keiner Sekunde nach ihm klingt. Feine Dialoge, scharfsinnige Off Kommentare. Ein echtes, melancholisches und am Ende mit einem kleinen, aber wirklich nur kleinen, Hoffnungsschimmer versehenes Meisterwerk, als Bühne für einen alles überragenden Nicholas Cage und einen brillanten Understatementauftritt von Michael Caine.

Filme wie dieser bringen mich auch immer zum Überlegen. Was treibt Menschen wie den Hauptcharakter dieses Filmes eigentlich an? Wollen sie ihr Leben leben? Nur was ist das für ein Leben? Wollen sie etwas ändern? Nur in welche Richtung? Und warum? Was für einen Mut muss man haben, um ein so belangloses, bedeutungsloses Leben zu leben, ohne daran zu verzweifeln? Ich könnte das nicht ... ganz ehrlich ... wobei viele sicher sagen würden, dass eine gewisse Form der Routine, wie sie hier gezeigt wird, einfach logisch ist ... ich würde daran aber verzweifeln ... dennoch liebe ich Filme, die sich mit solchen Charakteren beschäftigen ...
:liquid10:

In diesem Sinne:
freeman, auch wenn es jetzt eher unpassend anmutet, aber die Cameltoe Einlagen sind ein riesiger Brüller ... genau wie der Spongebob Gag ... oder die Szene mit der Eistasche ... oder Cages Gedanken zu Fast Food ... fast noch schöner sind seine Überlegungen über seinen Vater ... oder seine Versuche seiner Familie nah zu sein ... oder die Szenen mit seinen Kindern ... Kurzum, ein stiller, episodischer, einnehmender, traurigwitziger Streifen ...
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Beitrag von Fäb » 06.12.2006, 22:41

heieieiei das sieht ganz so aus, als könnte ich da wirklich mal wieder einen Blindkauf wagen, wurd emir auch schon von anderer Seite wärmstens empfohlen, aber bislang hab ich den (wieso auch immer, aber ihr kennt das ja, bei manchen Filmen weiß man einfach nich wieso) irgendwie übergangen. Wird sich ändern 8-)

Ach ja: Top Vince! (unnötig zu sagen :-) )

Welcher Satz mir direkt auffiel:
...mit einem noch renommierten John Woo “Windtalkers” drehend, dann mit Ridley Scott “Tricks”, im weithin (von mir jedoch nicht) akzeptierten Bruckheimer-Projekt “Das Vermächtnis der Tempelritter” als Indiana Jones der neuen Generation auf Schatzsuche gehend und dann eine Bombe namens “Lord of War” hinlegend - ...
Das liegt wohl daran, dass ich, hier gerade mein Latinum an der Uni nachmachend, heute u.a. nochmal eben jenes PPA (Partizip Perfekt Aktiv) näher beleuchtet habe :lol: :wink:

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Vince
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Beitrag von Vince » 06.12.2006, 22:56

Ja, ich hab mir auch überlegt, ob das nicht zu auffällig ist. :wink:
Übrigens hätte ich gar nicht beim Namen nennen können, wie das heißt. Trotz Studium der Kommunikationswissenschaften...

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Beitrag von Fäb » 07.12.2006, 18:02

ja, durch intensives Latein lern ich auch endlich mal die deutsche Grammatik :lol:

wie der Kram heißt ist ja völlig schnurz, wusst ich vorher auch nicht, Hauptsache man wendet es richtig an ;)

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Ed Hunter
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Beitrag von Ed Hunter » 22.11.2007, 19:24

Hab den jetzt auch gesehen und find ihn ebenfalls sehr stark. Bis auf die Wertung schließe ich mich dem schönen Review an. Von mir kriegt er :liquid7: bis :liquid8:
All we are is dust in the wind.
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Beitrag von StS » 22.11.2007, 22:13

Hab den Film zwei Tage vor meinen Urlaub gesehen, da er ja auch in Chicago spielt, und fand ihn wirklich klasse. Kann mich den positiven Stimmen nur anschließen...

:liquid9:

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