[CD] Metallica - ...And Justice for All

Eindrücke, Klangchecks aktueller aber auch älterer Scheiben im Review. Dazu Musik DVDs und Konzertberichte.

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Hannibal
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[CD] Metallica - ...And Justice for All

Beitrag von Hannibal » 16.06.2007, 00:59

Metallica - ...And Justice for All

Bild

Technische Daten
Vertrieb: Elektra Records
Laufzeit: ca 65 Min.
Anzahl der Tracks: 9
Extras: keine
Verpackung: CD-Hülle

Tracklist
1.Blackened (6:38)
2.And Justice for All (9:43)
3.Eye of the Beholder (6:25)
4.One (7:22)
5.The Shortest Straw (6:34)
6.Harvester of Sorrow (5:43)
7.The Frayed Ends of Sanity (7:41)
8.To Live is to Die (9:47)
9.Dyers eve (5:13)

Justitia ist die römische Göttin der Gerechtigkeit. In der einen Hand trägt sie eine Waage, mit der sie die Sachlage sorgfältig abwägen kann, in der anderen Hand hält sie das Richtschwert, mit der sie das Recht mit der nötigen Härte durchsetzt. Dabei sind ihre Augen verbunden, denn es soll nicht nach äußeren Gesichtspunkten verurteilt werden.

Szenenwechsel, die Halteseile der Waagschalen sind gerissen, Geldscheine rieseln aus selbigen. Das Anlitz der Göttin wirkt brächig, um sie sind Seile gespannt, die die Statue scheinbar von ihrem angestammten Platz ziehen.
Willkommen zu „...And Justice for All“, dem wohl persönlichsten und gleichzeitig kältesten Album von Metallica. 2 ½ Jahre sind vergangen seit dem großartigen Longplayer „Master of Puppets“, 2 ½ Jahre, in denen sich die Welt der 4 Kalifornier gehörig geändert hat, denn als im September 1986 der Metallica-Tourbus einen schweren Unfall hat, wird die Thrash-Kapelle um ein Mitglied erleichtert. Der Ausnahme-Bassist Cliff Burton wird unter dem Bus eingequetscht und stirbt noch an der Unfallstelle. Eine Welt bricht zusammen.
Schon kurz darauf rappelt man sich auf, sucht einen neuen Bassisten, findet ihn in Jason Newsted und beginnt mit den Arbeiten am neuen Album.
Im Februar 1988 erscheint die Platte, deren Hauptthema „Gerechtigkeit“ durch den Unfalltod Burtons einen bitteren Beigeschmack erhält.

Death of Mother Earth
Never a Rebirth
Evolution's End
Never will it mend


Damals wie heute aktuell thematisiert der Opener „Blackened“ die Ausbeutung der Erde durch den Menschen. Dabei brettert der Song nach einer kurzen Einleitung gleich mit einem absoluten Killerriff los. James Hetfield schreit den pessimistischen Text geradezu in die Welt hinaus. In der Bridge ändert sich das Tempo der rasenden Thrash-Nummer und verfällt in einen groovenden Rhythmus, der zum Solo wieder hochgeschraubt wird. Schon hier fällt die progressive Ausrichtung der Scheibe auf, arbeitet man diesmal nicht nur mit vielen Riffs, sondern benutzt auch äußerst vertrackte Drum-Kombinationen und integriert Spielereien, die derart detailverliebt sind, dass es beim ersten Hören gar nicht auffällt. So wird gegen Ende das Hauptriff beispielsweise um eine Achtelnote verschoben. Die geänderte Betonung fällt kaum auf, unterstreicht aber bei genaueren Hördurchgängen den technischen Anspruch, der hinter der Scheibe steckt.
Der Titel-gebende Track „And Justice for all“ beginnt mit einem verträumten Intro, welches jäh von sägenden E-Gitarren unterbrochen wird. Dabei fällt, dass der Übergang regelrecht unsymmetrisch ausfällt und ungewöhnlich vertrackt ins Hauptthema führt. Mit knapp 10 Minuten ist der Song der zweitlängste des Albums, von unglaublich vielen Riffs, Breaks und Melodien durchzogen und in der strukturellen Komplexität erneut absolut ungewöhnlich für Metallica.
„Eye of the Beholder“ groovt mit Ohrwurmqualität 7 Minuten lang vor sich hin, wirkt allerdings im progressiven Wust des restlichen Material nicht ganz stimmig.
Nach dem auf den beiden Vorgängeralben schon jeweils eine Halbballade die Trackliste auflockerte, setzt man auch auf der „Justice“ wieder auf ein solches Stück. Mit „One“ komponierte man allerdings eine Anti-Kriegs-Hymne, welche sowohl „Fade to Black“, als auch „Welcome Home (Sanitarium)“ locker in die Tasche steckt. Der Akustikpart ist perfekt ausgearbeitet, von traumhaft schönen Solo durchzogen, welche einen schneidenden Kontrast zum aggressiven Refrain bieten, welcher schließlich in eine gigantisch losdonnernde Bridge übergeht. Im ratternden, aber gleichzeitig sauber strukturierten 16tel-Triolen-Feuer werden die Folgen des Krieges auf den Hörer abgeschossen. Anschließend löst sich die vor sich hinpreschende Spannung in einem genial präzisen Solowirbel, der sich in abgöttischem Tempo gen Himmel schraubt.
„Shortest Straw“ groovt nach dem nachdenklich stimmenden „einen“ Inferno locker lässig vor sich hin, wirkt aber weit stimmiger im Gesamtbild als „Eye of the Beholder“. Die Groove-Elemente werden von asymmetrischen Breaks aufgebrochen, Drummer Lars Ulrich liefert mit zahlreichen Drum-Kombinationen die vertrackten Rhythmusteppiche, welche mit beinahe klinischer Sauberkeit von Hetfield & Hammett bearbeitet werden.
Direkt im Anschluss donnert dann „Harvester of Sorrow“ los und zelebriert eine atemberaubende Heavy-Metal-Show. Nach einer düsteren Clean-Einleitung zieht ein schwergängiger Sturm auf, der sich als gigantische Donner-Wand entpuppt, die sich unaufhaltsam auf den Hörer zuschiebt. Die klare Rhytmus-Struktur macht die Einleitung zum Fest eines jeden Live-Konzerts. Sobald die Bass-Drum bebende Viertelschläge angibt, stimmen die Fans in „Hoi Hoi Hoi“-Schlachtrufe ein, die sich der präzisen Gitarrenwand perfekt anpassen und somit für Gänsehaut sorgen. Im weiteren Verlauf gestaltet sich das Lied im Vergleich zu den abwechslungsreichen Nachbartracks ein wenig eintönig. Offensichtlich hat man sich verflucht schnell auf die progressive Struktur des Albums mit zahlreichen Tempowechsel und unterschiedlichen Riffs eingestellt, so dass eine gradlinige, aber dennoch prima funktionierende Nummer wie „Harvester of Sorrow“ gleich negativ auffällt.
Die nächste Nummer „The Frayed Ends of Sanity“ groovt wieder mit einem Bombenanfang und einer anschließenden Ansammlung von zahlreichen Midtempo-Riffs, die durch clevere Übergänge perfekt miteinander verknüpft sind.
Cliff Burton war derjenige in der Band, der für melodische Strukturen wie beispielsweise den genialen Mittelteil in „Master of Puppets“ verantwortlich war. Als Fan klassischer Musik konnte er mit Harmonien unterschiedlichster Art umgehen und aus ihnen bezaubernde Clean-Parts zaubern. „To Live is to Die“ beinhaltet die letzten Ideen von Burton. Der fast komplett instrumentale Track setzt sich mit dem Tod des Bandmitglieds auseinander. Nach einem kurzen Akustikvorspiel setzt ein unglaublich simples aber effektives Riff ein, welches sich in düsteren Moll-Harmonien voranschiebt. Aber es groovt nicht, düster wie der Tod selbst schleicht es in ungewöhnlich langsamem Tempo unaufhaltsam voran und schlägt dann in kurzen Thrash-Spitzen zu. Und dann kommt die Trauer. In einer absolut genialen Melodie wird der Verlust eines geliebten Menschen regelrecht greifbar gemacht. Als wäre das nicht genug, bricht man das herzergreifend schöne Riff zu einem Akustikpart runter, in dem plötzlich alle Instrumente Sendepause haben und sich so ein akustischer Atemstillstand einstellt, der sich auf den Hörer überträgt. Die Zeit scheint in diesen Sekunden still zu stehen, es geht nicht vor und nicht zurück. Ganz behutsam gesellt sich ein Solo zu dem Zwischenpart und plötzlich schlägt die gleiche Melodie mit verstärkter Gewalt nochmal so richtig in die Magengrube. Die Welt dreht sich wieder, aber der Verlust bleibt...
Und dann kündigt ein Trommelwirbel wieder die Weiterreise des Todes an und wir sind wieder im Einstiegsriff, langsam vor sich her polternd und doch mit tödlicher Präzision unterwegs. Dann wieder die Akustikeinleitung diesmal als Outro...der Tod ist wieder in weiter Ferne, das Leben geht weiter, doch die Gewissheit bleibt, dass die bedrohliche Gitarrenwand wiederkommen wird und dann sind wir vielleicht dran...
Woooms! Mit einem Mörderriff drescht „Dyers Eve“ - mit gut 5 Minuten übrigens der kürzeste Track - vollkommen überraschend in das noch ausklingende Akustikoutro vom Vorgängersong, was bei hoher Lautstärke beinahe einen Herzinfarkt verursacht. Die donnernde Einleitung geht schließlich in einen reinrassigen Thrashsong über. Zu Blast-Beat und Double Bass prügelt der Song unaufhaltsam nach vorn und überrollt in seiner technischen Perfektion alles zuvor Dagewesene. Nicht umsonst haben Metallica diesen Song vor dem Jahr 2004 (also 15 Jahre lang) nie live gespielt. „Zu schnell, zu schwer, unspielbar“ lautete die Argumentation. Erst Jason Newsted-Nachfolger Robert Trujillo motivierte die Jungs das Teil für die 2004er-Tour dann doch mal anzugehen...und siehe da, sie konnten's doch. So wird die „Justice“-LP schließlich äußerst ruppig beendet.
Erwähnung finden sollte noch der klinische Sound des Albums. Mit einer beinahe nicht hörbaren Bassspur entwickelt sich ein überraschend druckarmer, sehr sauberer Sound, der derart perfekt und mechanisch klingt, dass man meinen könnte Roboter seien am Werk beziehungsweise an den Klampfen gewesen. Die Band selbst, kam mit ihrem komplexesten Album nie wirklich gut klar. Nach der „Justice“-Tour wurden nur noch sehr wenige Stücke der Platte in die Live-Setlist aufgenommen, da Hetfield & Co die progressiven 7-10-Minüter zu unübersichtlich und langweilig fanden. Bei Fans hingegen ist die Platte bis auf den missglückten Sound äußerst beliebt und das zu Recht. Noch ein ganzes Stück komplexer als die „Master of Puppets“, entfaltet sich eine donnernde, mal groovende und mal rasende musikalische Reise, die so vertrackt und abwechslungsreich wie kein anderes Metallica-Album ist. Mit "To Live is to Die" findet sich zu dem einer der faszinierensten Tracks der Band, fasst er doch das unglaublich komplexe Thema "Tod" in knapp 10 Minuten musikalisch derart genial zusammen, dass einem mehrmals eiskalte Schauer den Rücken hinunterjagen. Die innovativen Drum-Breaks, die abrupten, asymmetrischen Übergänge und nicht zuletzt die auf den Punkt treffenden Lyrics, die von Hetfield mit gewohnter Power-Stimme ins Mikrofon geschriehen werden machen „...And Justice for All!“ zu einem der besten und interessantesten Metallica-Alben, vielleicht sogar zum besten...
:liquid9:,5

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Beitrag von jack warrior » 16.06.2007, 11:09

ah ne oldschool review *g huhu

ich find justice for all strunz langweilig. konnt mich noch nie mit dem album anfreunden. irgendwie ist die mir zu eintönig gerade. zündet gar nicht. würde dem unter 5 punkte geben. irgendwann werd ich der cd noch mal ne chance geben aber ich habs schon mehrfach versucht , hat und will nicht zünden.

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Beitrag von Vince » 16.06.2007, 11:34

:shock: Noch so ein Megabrett! Wir können uns hier bald ne Holzhütte bauen. Heiliges Kanonenrohr.
Die Kritik wird dem Album absolut gerecht und der Wertung kann ich auch zustimmen. Als jemand, der sich inzwischen ein Stück weit zum Progger entwickelt hat (die CD ist neben der Puppets auch die einzige, die bei den babyblauen Seiten besprochen wurde), erlangt diese Platte einen schon immer größer werdenden Status bei mir. So kann ich zwar aus meiner alten Sichtweise Jacks Meinung verstehen - als ich die Platte vor Jahren kaufte, wurde ich einfach nicht warm mit ihr - aber jetzt sehe ich das exakte Gegenteil von dem, was er sieht: die Justice ist für mich inzwischen das spannendste aller Metallica-Alben und mit der Puppets zusammen auch das beste. Und ausgerechnet "One", der damals bei Fans ja durch das "Johnny zieht in den Krieg"-Video der Kommerzialisierung beschuldigt wurde, ist vielleicht der beste Song, den Metallica jemals aufgenommen haben.
Danke für die Kritik, die rockt dermaßen!

EDIT: P.S.: Hannibal, ich merke, du hast das Progressive in den Adern! Lass es raus! :D

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Beitrag von Carcass77 » 16.06.2007, 12:33

Fettes Review, Hanni! :D

Und ich kann fast alles so unterschreiben. Bis auf "The Frayed Ends of Sanity", das imo ein bißchen abfällt, sind nur starke Nummern an Bord. Für mich eindeutig die Nummer zwei nach der kongenialen "Master of puppets"...

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Beitrag von EatenAlive » 16.06.2007, 14:45

"And Justice for all" ist die beste Metallica Scheibe von mir würde es 9 Punkte
geben. Ansonsten halte ich Metallica für die überbewerteste Band überhaupt, aber ein blindes Huhn trifft halt auch mal ein Korn. *duck und weg*
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Beitrag von Vince » 16.06.2007, 14:51

Zumindest unterbewertet sind sie hundertprozentig nicht. :wink:

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Beitrag von daemonicus » 16.06.2007, 15:05

Nice Teil, ich bin ja eher der Puppets und Lightning Möger, aber Justice ist immer noch Richtung 9.

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Beitrag von Hannibal » 16.06.2007, 15:13

EatenAlive hat geschrieben: Ansonsten halte ich Metallica für die überbewerteste Band überhaupt, aber ein blindes Huhn trifft halt auch mal ein Korn. *duck und weg*
Was Was Was??? ;-)

MFG
Hannibal

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