Die Bestimmung - Divergence

Triss is the new Katniss? Endzeitliche Jugendromane häufen sich derzeit wie Sand am Meer, und mit ihnen die Verfilmungen. „Die Bestimmung“ entstammt einer ebenso naiven Fantasie wie alles, was in der Flutwelle Stephenie Meyers und ihrer Schwestern im Geiste entstanden ist. Bedroht ist stets der Individualismus, aber nicht in einem allgemeingültigen Sinne wie im 20. Jahrhundert, als das postindustrielle Zeitalter den Einzelnen wie eine Datei erfasste und kartografierte (-> „Brazil“), sondern eher wie bei einer heranwachsenen Pubertierenden, die ihre Persönlichkeitsentwicklung von der Organisation des Lebens bedroht sieht.
Autorin Veronica Roth schien beim Schreiben ihres Debüts noch sehr beeindruckt gewesen zu sein von den Studentenvereinigungen an der Universität, denn die sogenannten „Fraktionen“, die das Zentrum der Handlung darstellen, erinnern stark an nordamerikanische, oft mit griechischen Buchstaben benannte Bruder- und Schwesternschaften. Dass es in Roths Dystopie um die Aufteilung in solche Fraktionen je nach Persönlichkeitsmerkmalen geht, und dass die Heldin der Geschichte durch das fünfgliedrige Raster fällt und deswegen in Gefahr läuft, zur Geächteten zu werden, passt in den Strom, vermeidet aber von Grund auf jede Eigenständigkeit.
Bezeichnend auch, dass es natürlich gerade die „Ferox“ sind, die „Furchtlosen“, denen sich die Hauptfigur anschließt – immerhin gilt es ja, die Abenteueraffinitäten zu befriedigen. Ein Film, bei dem innere Kämpfe in einer Bibliothek oder in einer politischen Runde ausgetragen würden, entspräche weder den Vorstellungen der Autorin noch des Studios, das immerhin ähnliche Schauwerte bieten möchte wie „Die Tribute von Panem“.
Letzteres gelingt mitunter auch durchaus – wenn eine Seilabfahrt nur haarscharf an den Häuserruinen Chicagos entlang ansteht und hinter den mächtigen Glasfassaden plötzlich der purpur-blau-orangene Sonnenuntergang zum Vorschein kommt, dann sind das schon beeindruckende Bilder. Produktionstechnisch steht „Die Bestimmung“ klar in einer Reihe mit den Referenzwerken.
Inhaltlich sieht das wie angedeutet wieder ganz anders aus: Nicht nur strotzt die Endzeitvision vor Ungereimtheiten, auch erscheint die Besetzung mit Shailene Woodley wie ein unbeholfener Versuch, der Natürlichkeit nachzueifern, die Jennifer Lawrence in den „Hunger Games“-Filmen als Maßstab vorgegeben hat. Die standesgemäße Liebesgeschichte lässt sicher Teenieschmerzen schmelzen, ist aber unglücklich montiert. Zudem wird die Handlung ähnlich wie „Ender’s Game“ über weite Strecken von der unbefriedigenden Aura der Simulation und Vorbereitung geprägt, ohne dass der Suspense einer anstehenden Konfrontation wirkungsvoll ausgespielt werden könnte.
Insofern nur wieder weiteres Futter für solche, die alles verschlingen, was in irgendeiner Form mit jüngerer SciFi-Jugendfilmkultur zusammenhängt. Mehr war ohnehin nicht zu erwarten, denn dafür wären ernsthafte Perspektiv- und Paradigmenwechsel notwendig gewesen, was momentan weit und breit nicht in Sicht ist.
